Tiefgekühlte Konkurrenz Tiefgekühlte Konkurrenz: Für kleine Bäckereien ist das Geschäft in Dessau-Roßlau zäh geworden

Dessau - Wohin die Kunden abwandern, das weiß Oliver Schieke natürlich. Beim Einkauf im Supermarkt werden noch schnell ein paar Brötchen eingepackt. Ein halber Laib fürs Abendessen? Auch da ist der Discounter nach der Arbeit nahe. Und günstiger sind die Backwaren noch dazu. „Aldi und Co. - das ist schon ein Problem“, sagt der Inhaber der Ziebigker Bäckerei und Konditorei Schieke. „Man merkt schon, dass es in der Woche deutlich nachgelassen hat.“
Für Handwerksbetriebe wie den seinen ist das Geschäft mit dem gebackenen Getreide zäher geworden. Neun Bäckereiunternehmen führt die Handwerkskammer derzeit in Dessau-Roßlau. Bei der Industrie- und Handelskammer sind zwei weitere Einzelhandels-Firmen gelistet. Bald müssen diese Zahlen nach unten korrigiert werden. Die Bäckerei Franke - ebenfalls in Ziebigk beheimatet - schließt Ende Juli.
Und wie ist die Stimmung bei Oliver Schieke? „Nennen wir es mal durchwachsen“, sagt der Bäcker. Der zurückliegende Sommer habe seine Spuren hinterlassen, den Umsatz in 2018 mit Hitze und Trockenheit massiv gedrückt. „Das haut rein“, sagt Schieke. „Noch so ein Sommer, dann können wir hier auch zuschließen.“
Längst steht der Handwerksbetrieb von nebenan in Konkurrenz mit Industrieunternehmen
Ganz neu sind die Sorgen der Bäckereien nicht. „Eigentlich geht der Prozess seit Beginn der 90er-Jahre“, sagt Andreas Baeckler, der Geschäftsführer des Landesinnungsverbands des Bäckereihandwerks. Längst steht der Handwerksbetrieb von nebenan in Konkurrenz mit Industrieunternehmen. Große Tiefkühlbäckereien produzieren in Mengen, die für Kleinbäcker unerreichbar sind - sie können ihre Ware entsprechend günstiger verkaufen.
Und, das stört Baeckler besonders, sie werden durch Wirtschaftsförderung quasi subventioniert. Um die regionale Ökonomie anzukurbeln, würden Gewerbegebiete geschaffen, werde Unternehmen sozusagen der rote Teppich ausgerollt. Auch in der Region um Dessau-Roßlau. „Das trifft natürlich das Handwerk in vollem Umfang, weil es im Wettbewerb mit diesen Industriebetrieben steht“, sagt Baeckler.
Nicht der einzige Nachteil. Mitbewerber wie Tankstellen, Bahnhöfe und die Schnellgastronomie hätten den Kleinbäckern noch etwas anderes voraus. „Weil sie Sonderregelungen für Öffnungszeiten haben, die so für Handwerksbetriebe nicht zu realisieren sind“, erklärt Baeckler. In der Lebensmittelhygiene müsse man dafür dieselben umfangreichen Vorschriften erfüllen, wie Großkonzerne. Der bürokratische Aufwand wachse stetig.
Mit jeder geschlossenen Bäckerei werden die verbleibenden gefragter
Davon kann auch Oliver Schieke ein Lied singen. „Das hat sich locker verdreifacht“, sagt er. Nach dem Inhaltsstoffgesetz müsse er mittlerweile über jeden kleinsten Bestandteil seiner Backwaren detailliert Auskunft geben. „Und wir haben locker 200 Produkte im Sortiment“, sagt der Bäcker.
Vorbei die Zeiten, in denen sich zur Saison mal eben ein Rhabarberkuchen ins Angebot heben ließ. Das hieße nun sofort: Mehraufwand am Schreibtisch. Wirklich nachgefragt würden die Listen zudem nicht. „Den Kunden, der das wissen will, gibt es selten“, berichtet Schieke. „Ich hatte bisher zwei Allergiker.“
Zu sehr beschweren möchte der Bäckerei-Inhaber sich aber nicht. Schließlich gebe es auch Kunden, die ganz bewusst zur Handwerks-Backware griffen - und damit eine Nische. „In zehn Jahren sieht es vielleicht wieder anders aus“, sagt Schieke. Und mit jeder geschlossenen Bäckerei würden die verbleibenden gefragter. (mz)
