StadtLesen in DessauStadtlesen: Geständnisse der Kochprofis
Dessau - Krimi und Küche sind für den Vorstand des Kochvereins Anhalt_Dessau eine delikate Verbindung.
Kann der Dessauer Marktplatz wirklich ein Ort zum Weilen statt Eilen sein? Er kann! In den vergangenen Tagen brauchte es nur ein paar Dutzend Sitzsäcke und Stühle sowie ein paar Bücherschränke, um Passanten zum Bleiben zu animieren.
StadtLesen nannte sich das, was von Donnerstag bis Sonntag bereits zum zweiten Mal in Dessau-Roßlau Station machte.
Jung und Alt kamen, wenn auch nicht in Scharen, sondern mehr in homöopathischen Dosen, zum Zuhören verschiedener Geschichten von der Lesebühne, zum Stöbern auf dem Bücherflohmarkt, zum Quatschen und zum Lesen.
Ob er auch von sich aus den Weg zum Stadtlesen gefunden hätte, kann Jörg Bernstein am Sonnabend nicht eindeutig beantworten. „Das ist irgendwie eine Gewissensfrage“, wiegelt der Berufsschullehrer ab. „Wenn man viel unterwegs ist, dann freut man sich auch mal auf ein Wochenende zu Hause ganz in Familie“, sagt er.
Doch aus gutem Grund hat es ihn am Sonnabend doch zum Marktplatz gezogen. Er, der am Dessauer Berufsschulzentrum mit Buchführung und Datenverarbeitung eher sachlich nüchterne Fächer unterrichtet, ist gastro- und bibliophil.
Hobbykoch und Bücherwurm
Kochen lebt Bernstein am liebsten auch unter der Woche so oft es geht am heimischen Herd aus - und ist der einzige im Vorstand des Kochvereins Anhalt-Dessau, der das Kochen nicht professionell erlernt hat.
Neben Thomas Wolffgang, Ausbilder für Köche am Berufsschulzentrum und Vorsitzender des Kochvereins Anhalt-Dessau sowie Andreas Heide, Leiter der Dessauer Berufsschule und Kassenwart des Vereins, liest Bernstein am Sonnabendvormittag kulinarische Geschichten auf der Lesebühne.
Neben dem Kochen liebt der Berufsschullehrer in seiner Freizeit auch das Schmökern. „Krimis und Thriller sind meine Welt“, schwärmt er. Doch lauscht Bernstein neben einer Handvoll anderer Zuhörer erst einmal, was Andreas Heide vorzutragen hat.
Einen Ausflug in die Kulturgeschichte des Essens mit einem Buch von 1895 unternimmt der Leiter des Berufsschulzentrums. War es ganz am Anfang Eva, die mit ihrem Naschen an der verbotenen Frucht der Menschheit den Weg aus dem Paradies ebnete, entdeckten die Ägypter die Ernährung mit Knoblauch und Zwiebeln beim Bau der Pyramiden für sich.
Die Germanen ernährten sich noch von dem, was der Wald an Wild und Früchten so hergab. Die Römer verstanden sich schon als Schlemmer und Genießer und Friedrich der Große schwor auf die französische Küche.
„Spannend und unterhaltsam muss es sein"
In dieser Hinsicht fühlt sich Bernstein mehr zu den Römern und zum Friedrich als zu den Germanen hingezogen. „Kochen und Essen, das ist ein Genuss mit allen Sinnen“, sinniert der Hobbykoch.
Das ist Schmecken, Kommunizieren, die Familie, Freunde und Bekannte verwöhnen. Es muss für ihn nicht so exzessiv wie bei den Römern und nicht so exquisit wie am Hofe Friedrichs sein. „Oft sind die einfachen die besten Zutaten für ein gutes Mahl“, erzählt der Berufsschullehrer.
Frisch und saisonal muss es für ihn sein. Derzeit kann er von Spargel kaum genug bekommen. Die Zutaten für ein gutes Buch sind für Bernstein auch ganz klar.
„Spannend und unterhaltsam muss es sein. In neue Welten will man vordringen, seinen Horizont erweitern und vielleicht auch was für den Alltag mitnehmen“, so der Literaturfreund.
Gern liest er auch Bücher, die seine Vorliebe für Krimis und Kulinarisches kombinieren. Der Münchener Autor Michael Böckler ist unter anderem mit „Mord mit 3 Sternen“ oder Sterben wie Gott in Frankreich“ für den Hobbykoch und Bücherfan ein wahrer Meister darin.
Thomas Wolffgang, der Vorsitzende des Kochvereins, liest auf der Bühne aus „Geständnisse eines Küchenchefs“ von Anthony Bourdain. Den harten Alltag in der „Militärbasis“ Restaurantküche schildert der amerikanische Spitzenkoch darin.
Einiges davon kann auch Wolffgang bestätigen und trotzdem liebt und lebt er seinen Beruf und versucht, dem Berufsnachwuchs diese Leidenschaft mitzugeben.
Auf wunderbare Weise gibt Literatur da für Bernstein einen Einblick in fremde Welten und für ihn die Gewissheit, sich das Hobby Kochen durch zu viel Professionalität nicht verleiden zu lassen.
Er selbst liest auf der Lesebühne mit „Ein Küchenchef reist um die Welt“ auch aus einem Werk von Bourdain. Für Bernstein ist das auch ein Meister, der Lesen und Kochen wunderbar kombinieren kann und für ihn auch zu Hause ins Bücherregal gehört. (mz)