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Mit Hebebühne und Industriestaubsauger So mühsam ist in Dessau-Roßlau der Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner

Tausende Eichen sind in Dessau-Roßlau befallen. Schädlingsbekämpfer kämpfen mit vielerlei Tricks gegen die Eichen-Raupen. Warum die Männer wenig Hoffnung auf Besserung haben.

Von Oliver Müller-Lorey 08.08.2021, 09:00
Andy Heinrich ist einer der Männer, der Dessaus Eichen vom Prozessionsspinner befreit. In seiner Hand: ein abgesaugtes Nest.
Andy Heinrich ist einer der Männer, der Dessaus Eichen vom Prozessionsspinner befreit. In seiner Hand: ein abgesaugtes Nest. (Foto: Thomas Ruttke)

Dessau-Rosslau/MZ - Andy Heinrich muss mehrmals ansetzen, um die zähe, braun-weiße Masse vom dicken Stamm der Eiche zu trennen. Ein-, zwei-, dreimal sticht er mit dem rund zwei Meter langen Staubsaugerrohr in das watteartige Nest des Eichenprozessionsspinners, bis es mit einem leisen „Flop“ im Auffangbehälter des Industriestaubsaugers landet. Er steuert die Hebebühne, auf der er steht, zum nächsten Nest. Saugen, hochfahren, saugen, runterfahren: So geht es eine halbe Stunde lang, bis die Eiche gespinstfrei ist. Eine von Tausenden, die in diesem Jahr vom Eichenprozessionsspinner befallen sind, wohlgemerkt.

Schädlingsbekämpfen führen in Dessau-Roßlau einen Kampf gegen Windmühlen

„Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, den wir hier führen“, sagt Marcel Hahne, der unten an der Hebebühne steht und Passanten vor den Arbeiten warnt, während sein Kollege in luftiger Höhe vom Baum rettet, was zu retten ist. „Manche Bäume sauge ich jedes Jahr ab. Wenn alle an einem Strang ziehen würden, würde man das Problem auch endlich in den Griff bekommen. Aber es gibt einige Baumbesitzer, die nichts gegen den Eichenprozessionsspinner tun“, sagt er. Die Stadt Dessau-Roßlau und die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz seien vorbildlich, was den Kampf gegen die gefräßige Raupe angeht. „Die lassen alles machen, was erlaubt ist“. Andere Großgrundbesitzer seien da säumiger, sagt Hahne, ohne Namen zu nennen.

Die Männer fahren mit einer Hebebühne hoch in die Bäume.
Die Männer fahren mit einer Hebebühne hoch in die Bäume.
(Foto: Thomas Ruttke)

Wer denkt, dem Freiberufler, der für die sachsen-anhaltische Schädlingsbekämpfungsfirma „Enviro Pest Control“ arbeitet, sei es gerade recht, dass die Spinner jedes Jahr aufs Neue zuschlagen, weil er so mehr zu tun hat, irrt. Dem Dessauer liegt das Grün seiner Stadt am Herzen. Und er sorgt sich, dass ein Dauerbefall der Eichen ein schlimmes Ende nehmen könnte. „Vier- maximal fünfmal hintereinander hält ein Baum das aus, danach ist Schluss“, sagt er.

Hahne, der Veranstaltungskaufmann gelernt hat, kam vor vier Jahren über einen Freund zur Schädlingsbekämpfung. Erst stellte er auch Ratten nach, inzwischen kann er vom Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner fast alleine leben. Im Frühjahr, wenn die ersten Blätter an den Eichen sind, kann er dort, wo es erlaubt ist, Insektizide sprühen, wenn sich die Raupen wie jetzt im Sommer verpuppt haben, beginnt bis in den Winter hinein das Absaugen. Nur in den ersten Monaten des Jahres arbeitet Hahne in seinem erlernten Beruf. Es sind auch Monate des Ausruhens von der schweren körperlichen Arbeit.

Schädlingsbekämpfer brauchen einen Ganzkörperschutz, um gegen den Eichenspinner vorgehen zu können

Wie die aussieht, konnten Passanten diese Woche in Waldersee unweit der Wörlitzer Brücke sehen. In einem gelben Ganzkörperanzug mit Kapuze, FFP2-Maske und Handschuhen vor den giftigen Härchen der Tiere geschützt, saugte Andy Heinrich Nest um Nest ab. Nach einer Dreiviertelstunde - nassgeschwitzt - ist Pause angesagt. Hahne hingegen arbeitet nur bei extrem starkem Befall mit so viel Schutzkleidung. „Ich reagiere so gut wie gar nicht auf die Raupen. Letztes Jahr ist mir ein Nest in den Nacken gefallen, ich habe kurz geduscht und nichts ist passiert“, berichtet er.

Dass nicht alle so leicht mit einem Kontakt umgehen, weiß er. Vor allem Kinder müssten vor den Härchen der Raupen geschützt werden. Befallene Bäume rund um Kindergärten und Schulen haben für das Team daher Vorrang.

Im Sommer verpuppen sich die Spinner und bilden solche Nester.
Im Sommer verpuppen sich die Spinner und bilden solche Nester.
(Foto: Thomas Ruttke)

Manchmal nach einem, manchmal auch erst nach einem halben Dutzend Bäume ist der Staubsauger voll. Die Männer schütten die Nester mit den verpuppten Raupen in Müllsäcke, die später bei über 1.200 Grad verbrannt werden - nur so werden die Spinner wirklich unschädlich gemacht.

Es ist ein Knochenjob, den Heinrich und Hahne machen, doch sie lieben ihn. Auch, wenn ab und an uneinsichtige Passanten vorbeikommen, die den beiden ungefragt Ratschläge erteilen. „Manche sagen, das was wir machen, bringt doch eh nichts, wir sollten lieber den Baum abfackeln“, berichtet Hahne. Er wünscht sich mehr Verständnis für ihre Arbeit und mehr Geschlossenheit im Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner. Denn allein die Stadt und die Kulturstiftung könnten das Rennen um die Eichen kaum gewinnen. Da sei der nächste Befall programmiert.