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Rockertreffen Rockertreffen: Sternfahrt mit dem Ziel Zerbst

Von STEFFEN BRACHERT 28.07.2011, 18:18

ZERBST/DESSAU/MZ. - Das dumpfe Knattern der Motoren ist zu hören, bevor etwas zu sehen ist. Als die dunklen Motorräder auf den unbefestigten Feldweg biegen, wird kurz mit dem Kopf genickt, manch einer hebt die Hand. "Bandidos. Ruhr-City" steht auf den dunklen Motorrad-Westen. Fast 500 Kilometer sind die etwa 30 Männer gefahren, um zum Zerbster Flugplatz zu kommen. Der ist am Wochenende Ziel einer europaweiter Sternfahrt. Fünf Kilometer vor den Toren der Stadt Zerbst findet das Jahrestreffen der "Bandidos", einer berühmt-berüchtigten Motorrad-Gang, statt.

Die Presse? Auf das Gelände? Der "Bandidos"-Mann vor Ort schüttelt nur den Kopf. "Dort vorn könnt ihr ein Foto machen", weist der Mann gut 50 Meter nach vorn: "Free Niels" steht auf seinem dunklen T-Shirt. Zwei Pistolen sind daneben abgebildet. Das Telefon brummt im Halb-Minuten-Takt. Nach 50 Metern ist vom Bandidos-Treffen zwar nicht viel zu sehen. Doch wer will schon diskutieren? Fragen werden nicht beantwortet. "Das macht alles unser Pressesprecher." Per Handy.

Das "Bandidos"-Treffen auf dem Zerbster Flugplatz hat in den vergangenen Wochen für heftige Aufregung gesorgt. Weil es parallel zum traditionellen Zerbster Heimatfest stattfindet. Weil in Dessau auf dem Markt der MDR eine Sommerparty feiert und die Stadt eine Wette gewinnen will, in der Polizisten und Ganoven eine Hauptrolle spielen. Und weil dann auch noch das DFB-Pokalspiel zwischen dem Halleschen FC und Eintracht Frankfurt im Dessauer Paul-Greifzu-Stadion stattfinden sollte.

Das Fußballspiel ist längst abgesagt. Aus Sicherheitsgründen. Alle anderen Veranstaltungen finden statt - und die Beteiligten bemühen sich um Normalität. "Einmal im Jahr gibt es eine Sternfahrt für Bandidos aus ganz Europa", erklärt Micha am Telefon. Micha ist Pressesprecher der "Bandidos" - und ziemlich freundlich. Letztes Jahr sei es nach Frankreich gegangen. 2011 hat sich der Ortsverband Magdeburg, das "Chapter", um die Organisation gekümmert - und den ehemaligen Zerbster Militärflugplatz als Veranstaltungsort ausgewählt. Von der Aufregung in Anhalt hat Micha gehört - und hält diese für völlig überzogen. Gut 2 000 "Bandidos" aus ganz Europa werden erwartet. "Um das Treffen abzusichern", ist Micha überzeugt, "würden zwei Streifenwagen reichen."

Doch ganz so harmlos sind die streng hierarchisch organisierten "Bandidos" nicht. In mehreren Bundesländern werden die ewigen Rivalen der "Hells Angels" wegen ihrer Nähe zur organisierten Kriminalität vom Verfassungsschutz beobachtet. Nicht nur deshalb hat die Polizei in Anhalt zahlreiche Kräfte zusammengezogen. Mehrere Hundertschaften sichern das Treffen der "Bandidos", die versprochen haben, keine Ausflüge zum Zerbster Heimatfest oder nach Dessau-Roßlau zu machen. "Das Gelände werden nur die verlassen, die im Hotel wohnen. Manche sind 3 000 Kilometer gefahren, um nach Zerbst zu kommen. Die sind froh über jeden Tag, wo sie nicht fahren müssen", sagt Micha, für den das Treffen eine "Familienveranstaltung" ist. "Da sind Frauen und Kinder dabei. Und ich behaupte mal, auf dem Zerbster Heimatfest wird mehr getrunken als bei uns."

Auch die Stadt Zerbst ringt um Gelassenheit. Das Jahrestreffen der "Bandidos" auf dem Gelände des Luftsportvereins Zerbst sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden, sagt der Zerbster Bürgermeister Helmuth Behrendt (FDP). Bei der Abnahme des Flugplatz-Geländes - die "Bandidos" haben dort eine eigene, mit Sichtschutz verdeckte Stadt errichtet - hätten weder Polizei, noch Gewerbeaufsicht, Hygieneamt, Bauordnungsamt oder Feuerwehr Beanstandungen gehabt.

Die Aufregung um das Jahrestreffen der "Bandidos" bezeichnet Behrendt (FDP) als "Sensationshascherei im Sommerloch". Man könne unbesorgt auf das am Freitag um 19 Uhr beginnende Heimat- und Schützenfest gehen. Ähnlich sieht es Gerald Bürgel, der Vorsitzende des ebenfalls auf dem Flugplatz ansässigen Fallschirmsportvereins Zerbst. "Meiner Meinung nach sind Befürchtungen unbegründet", meint Bürgel. "Die Jungs feiern dort doch nur ihre Party."

Micha bestätigt das. "Wir haben kein Interesse an irgendwelchem Ärger", sagt der "Bandidos"-Sprecher. "Nach derzeitigen Kenntnisstand rechnet die Polizei nicht mit Störungen und Beeinträchtigung über das sonst übliche Maß bei Heimatfesten hinaus", erklärt auch eine Sprecherin aus Sachsen-Anhalts Innenministerium. Umfangreiche Kontrollen der Polizei wird es auf den Zufahrtswegen trotzdem geben.