Ritterliche Tugenden in der Mission
DESSAU/MZ. - Die da so "...innig aufjauchzen mit einem Gesang..." sind am Samstagvormittag die Gäste der Bahnhofsmission.
Zu Besuch am Vortag des 1. Advents ist zum dritten Mal in Folge eine Abordnung des Johanniterordens, die der Bahnhofsmission eine Lebensmittelspende zukommen ließ für den Bauch und kleine, süße Weihnachtsgeschenke mehr für das Herz derjenigen Menschen aus Stadt und Land, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die in der Bahnhofsmission Zuwendung erhalten und nötig haben. "Vor drei Jahren waren wir hier fast mehr Johanniter als Missionsgäste", erinnert sich Thomas Markworth vom Kreisverband Dessau, dass der Besuch damals eigentlich eine einmalige Aktion sein sollte. "Doch die Erlebnisse in der Mission schärfen den Blick und halten den Kopf wach für Menschen in schweren Lebenssituationen." Der Hilfsbedarf ist da. Und die Johanniter kamen wieder. Und wieder.
Die Bahnhofsmission wird getragen vom Diakonischen Werk im Kirchenkreis Dessau e.V.. Der Zulauf wächst von Jahr zu Jahr, weiß Missionsleiterin Christel Wenzkowski. So hatte die Bahnhofsmission bis Ende November 7 412 Gäste, reichte 5 000 Essen und über 13 000 Getränke aus. Täglich sind das 30 bis 40 Essensgäste. "Jeden Morgen komme ich bepackt wie eine Marktfrau in die Mission. Dann sind die Brote zu belegen. Da haben unsere sechs angestellten Mitstreiterinnen wirklich alle Hände voll zu tun und werden tatkräftig unterstützt von ehrenamtlichen Helfern." Auch auf regelmäßige Spenden aus den Bahnhofgeschäften kann die Bahnhofsmission setzen. "Aber unsere Hauptaufgabe bleibt ja die Hilfeleistung im Reiseverkehr. 9 500 Mal war in diesem Jahr schon die helfende Hand da für den Rollstuhlfahrer, den Blinden oder die Mutter mit einem Kind an der Hand und dem zweiten im Kinderwagen. Fast 2 700 Eintragungen stehen im Missions-Tagebuch unter dem Kennwort "Gespräche, Auskünfte, kleine Hilfe" - eben für Leute, die im Dessauer Hauptbahnhof irgendwie "gestrandet" waren. In Summe gab es im Jahr bisher 24 000 Kontakte.
Da sind die Helfer im Alltag, wie Bäcker Franke, der jeden Morgen zwei frische Brote reicht oder das Team von Le Crobag, das Baguettes übrig hat, genauso hochwillkommen wie besondere Gäste. Wie die Mitglieder vom Johanniterorden zu einer kleinen Andacht.
"Wir helfen leise. Diakonisch tätig zu sein, den Schwachen zu helfen, ist Auftrag unseres Ordens ebenso wie der missionarische. Seit über 900 Jahren", sagt Andreas Volkmann aus Wittenberg, Leiter der Subkommende Dessau. Räumlich erstreckt sich diese Organisation über die aktuellen administrativen Grenzen hinweg, reicht von Loburg im Norden bis vor Halle. Der Subkommende in Dessau gehören 15 Ordensmitglieder an. Bekannt ist der Orden in der Öffentlichkeit durch die von ihm getragenen Werke und Einrichtungen: Mit fünf Kindertagesstätten im Kreisverband Dessau / Roßlau, mit dem Altenheim in Loburg, dem Johanniter-Krankenhaus in Genthin und mit der Johanniter-Unfallhilfe.
Eine faszinierende Ordensgeschichte blättert Hans-Ulrich von Wulffen auf. Der Johanniter aus Loburg aus altem anhaltisch-magdeburgische Adelsgeschlecht hat seinen eigenen Stammbaum bis ins Jahr 1 000 zurückverfolgt und die Wurzel in Wulfen (bei Köthen) entdeckt. Hat also noch ein Stück tiefer gegraben, als der Orden alt ist. Der wurde 1099 in Jerusalem gegründet als Ritterorden der Johanniter oder Hospitaliter, der erschöpfte und kranke Pilger betreute und kurierte. Die Ritter leben und wirken bis heute. Drei von ihnen am Sonnabend zum Beispiel in der Dessauer Bahnhofsmission.
Ritterliche Tugenden wie Gerechtigkeit, Tapferkeit, Weisheit und Mäßigung brauchen nicht das große Ornat. Im Alltag entdeckt nur das aufmerksame Auge das kleine Ordenskreuz. Links über dem Herzen. Aber alle Ordensmitglieder (ausschließlich Männer) legen den schwarzen Ordensmantel mit weißem Kreuz alljährlich zum Rittertag mit Festgottesdienst an.