Rettungsdienst in Dessau-Roßlau Rettungsdienst in Dessau-Roßlau: Diakonissenanstalt fühlt sich benachteiligt

Dessau - Es ist Dienstagvormittag - und im Wartebereich der Anhaltischen Diakonissenanstalt (ADA) sitzen nur noch wenige Patienten. Die meiste Arbeit in der Patientenaufnahme ist getan, sagt Brita Kotte, Leiterin der Zentralen Aufnahme des Krankenhauses, und blickt auf die vergangene Nacht. Ein Notfall wurde mit dem Rettungswagen eingeliefert. Einer.
Das Anhaltische Diakonissenkrankenhaus hat ein Problem. Die Notfallaufnahme des Hauses ist nicht ausgelastet. Nur wenige Dessauer wissen, dass das Krankenhaus in der Dessauer Gropiusallee seit Jahren schon über eine Notfallaufnahme verfügt. Die Ärzte, Pfleger und Schwestern sind 24 Stunden täglich erreichbar. „Zu uns kann kommen, wer zum Beispiel akute Bauchschmerzen, Bluthochdruck, Diabetes, Schwächeanfälle oder Gichtanfälle hat“, erklärt Michael Meisel, Chefarzt für Geriatrie. Bei Prostata-, Blasen- und Nierenkrebsoperationen sowie für entsprechende medikamentöse Therapien ist das Haus erste Adresse. Doch bei der Notfallaufnahme hakt es: Die ADA fühlt sich beim Rettungsdienst in der Stadt benachteiligt.
„Die Notfälle werden alle ins Städtische Klinikum gebracht“, sagt Professor Ude Rebmann, ärztlicher Direktor. „Auch solche Patienten, die ausdrücklich in unser Krankenhaus wollten, sind dorthin gefahren worden.“ Für seinen Fachbereich habe das fatale Folgen, wenn „selbst Tumorpatienten, die sonst von uns betreut werden“ zunächst drei Tage zur Diagnostik ins Klinikum gefahren werden. Solange zahlen die Kassen. Rebmanns Vorwurf: Nach seiner Erfahrung „findet in der genannten Zeit keine ursächliche Behandlung statt“, sondern eine Schmerztherapie. Es sei kein Einzelfall, dass die Patienten später „in schlechterem Zustand im Diakonissenkrankenhaus Hilfe suchen und wir manchmal sogar operativ eingreifen müssen“, kritisiert Urologe Rebmann den Zeitverlust für Patienten und Mehrfachkosten für Krankenkassen.
Das Anhaltische Diakonissenkrankenhaus (ADA) verfügt über 165 Betten. Im Haus bestehen folgende Fachabteilungen: 1. Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, 2. Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie mit Darmkrebszentrum, 3. Klinik für Innere Medizin und Geriatrie, 4. Klinik für Urologie, Kinderurologie und urologische Onkologie.
Die Notaufnahme steht den Patienten rund um die Uhr zur Verfügung. Nach Angaben der Krankenhausleitung werden dort bislang 300 bis 400 Patienten im Quartal versorgt. Im Städtischen Klinikum wurden 2014 18.000 Patienten mit Notfallschein behandelt. Allerdings hat das Klinikum 14 Kliniken, zwei Institute und Belegabteilungen.
Über das Thema Rettungsdienst haben das Diakonissenkrankenhaus und die Stadt Dessau-Roßlau als Träger des Rettungsdienstes schon lange nicht mehr gesprochen. Zuletzt, erinnert sich Rebmann, sei das Thema vor etwa zwei Jahren angeschnitten worden. „Unser Haus hatte mehrfach Notarztdienste angeboten. Diese Offerten sind nicht auf Resonanz gestoßen“, erklärt Rebmann: „Alle Gespräche sind frustrierend ausgegangen, irgendwann wird man müde.“
Was der stellvertretende Leiter des städtischen Amtes für Brand- und Katastrophenschutz und Rettungsdienst zu den Problemen sagt und wie der Rettungsdienst in Dessau-Roßlau organisiert ist, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Auf Seiten der Stadt sorgt die Kritik am Rettungsdienst für Überraschung. So krass habe er die Beschwerden der ADA noch nie gehört, sagt Martin Müller, stellvertretender Leiter des städtischen Amtes für Brand- und Katastrophenschutz und Rettungsdienst. Aus seinen eigenen früheren Erfahrungen im Rettungsdienst weiß Müller jedoch, dass der Wunsch der Patienten in jedem Fall vom Notarzt berücksichtigt werde. „Es sei denn, die technische Ausstattung des Krankenhauses entspricht nicht dem diagnostizierten Krankheitsbild.“ Der Notarzt habe in diesem Fall die fachliche Entscheidung zu treffen, in welchem Krankenhaus der Patient umfassend Hilfe erwarten kann.
Der Rettungsdienst ist in Dessau auf zwei Wegen abgesichert. Zwischen 7 und 15.30 Uhr täglich stellt das Städtische Klinikum Notfallärzte. Zwischen 15.30 und 7 Uhr jeden Tages ist das Medizinische Versorgungszentrum dafür verantwortlich. So lautet der Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung, erklärt Dr. Jörg Petersohn der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes. Zu seinem Notfallteam gehören 17 Mediziner, darunter drei Externe. Petersohn, erst seit einem Monat Chef, kümmert sich um Dienstpläne und Qualifizierungsmaßnahmen. Wer in Dessau Notarzt sein wolle, müsse einen Vertrag mit dem MVZ eingehen. Anders in Roßlau: Dort hat die Kassenärztliche Vereinigung einen Dienstplaner beauftragt, der mit 15 Ärzten den Notdienst absichert. Dabei handelt es sich sowohl um Ärzte aus regionalen Krankenhäusern als auch um freiberufliche und niedergelassene Ärzte.
20 Jahre ist Petersohn Notarzt in Dessau. Er bestätigt: Wenn ein in der Gropiusallee wohnhafter Patient mit Verdacht auf Herzinfarkt die Rettung rufe, werde er definitiv nicht in die ADA gebracht. Dort sei man auf solche Patienten nicht eingerichtet.
Dessau-Roßlaus Finanzbürgermeisterin Sabrina Nußbeck sind die Klagen des Diakonissen-Krankenhauses nicht unbekannt. Die ADA-Leitung hatte sie bei einem Gespräch mit Oberbürgermeister Peter Kuras thematisiert, wie Nußbeck erwähnt. „Es gibt keine Anweisung, dass Patienten nur ins Klinikum eingewiesen werden dürfen“, versichert die Bürgermeisterin, die gleichzeitig auch Vorsitzende des Betriebsausschusses im Klinikum ist. Der Notarzt entscheide aus fachlicher Sicht. Hat der Patient ein urologisches Problem, komme er ganz sicher in die Urologie, also in die ADA.
Dass sich derzeit Dessaus Notärzte fast alle aus dem Personal des Städtischen Klinikums und dessen Tochter Medizinisches Versorgungszentrum rekrutieren, stimme. „Die Ärzte der ADA können sich aber ebenfalls für die Tätigkeit im Notarztteam bewerben.“ Bislang, sagt Nußbeck, habe es keine Angebote gegeben und betont: „Die ADA ist für Dessau-Roßlau ein Teil der gesundheitlichen Daseinsfürsorge.“ (mz)


