Probates gegen Seuchen Probates gegen Seuchen: Wie Dessau damals auf Pest, Cholera oder Pocken reagiert hat

Dessau - Die Maßnahmen waren rigoros. Wer einreisen wollte, musste eine Bestätigung vorlegen, aus einem cholerafreien Ort zu kommen. Wer das nicht konnte, kam zur Beobachtung in Quarantäne; das Schwedenhaus an der Straße nach Vockerode und die Meierei an der Leipziger Straße standen für solche Fälle bereit.
Die meisten Elbübergänge wurden gesperrt, die verbliebenen streng kontrolliert. Rauchen auf offener Straße wurde verboten. Und die „Immediatskommission zur Besorgung der die Cholera betreffenden Angelegenheiten“ hatte durchgesetzt, dass „Kammern und Stuben“, die „eine Ausweißung nöthig haben, gehörig auszuweißen“ seien, widrigenfalls drohe eine Strafe von einem bis fünf Talern oder eine verhältnismäßige Gefängnisstrafe.
Keine Toten in Dessau bei der ersten Cholera-Epidemie in Europa
Wie hat die Bevölkerung auf die behördlichen Anordnungen im Jahre 1831 reagiert? Fand sie die angemessen? Oder übertrieben, da die erste Cholera-Epidemie in Europa lediglich Tote in ganz Anhalt-Dessau und kein einziges Todesopfer in Dessau gefordert hatte? Hatten die Menschen den amtlichen Rat befolgt, und die Zimmer von Cholerakranken „täglich mit salpetersaueren Räucherungen durchräuchert, wobei die Luft im Zimmer mittelst einer Vorrichtung oder auch nur durch Wehen mit Tüchern in Bewegung gesetzt wird“?
Wir wissen es nicht, zu dürftig sind die Überlieferungen, die Benno Liesche für einen Beitrag im „Dessauer Kalender 2000“ auswerten konnte. Aber sein Aufsatz und weiteres Material im Stadtarchiv bescheren eine überraschende Erkenntnis: Manche Maßnahme zur Eindämmung des Corona-Virus ist keine Erfindung von Angela Merkel, der WHO, Christian Drosten oder Bill Gates. Vieles ist geübte Praxis spätestens seit dem 19. Jahrhundert.
Die rigiden Maßnahmen in Anhalt-Dessau zeitigten wohl Erfolg
Und schon wesentlich früher hatte man versucht, Seuchen einzudämmen und dabei nicht allein auf Gott vertraut. Während eines Pestausbruchs in den 1680er Jahren schwor Johann Georg II., Fürst von Anhalt-Dessau, seine Kollegen aus benachbarten Staaten auf Grenzschließungen ein.
Die rigiden Maßnahmen zeitigten wohl Erfolg: Noch 1576, so hat es Ulla Jablonowski für den „Dessauer Kalender 2006“ recherchiert, starben in Dessau von rund 2.000 Einwohnern 835. Die so genannte Übersterblichkeit lag beim Faktor sieben bis acht. Rund 100 Jahre später wurden ins eigens eingerichtete Pestlazarett gerade einmal zwei Personen eingeliefert.
1854 wurde der Cholera-Erreger entdeckt
Wie genau Seuchen entstanden, blieb bis ins 19. Jahrhundert weitgehend unklar. 1854 wurde der Cholera-Erreger entdeckt, Robert Koch erklärte 30 Jahre später den Verbreitungsmechanismus, avancierte zu einem der führenden Seuchenforschern weltweit und definierte maßgeblich mit, was im Falle einer Epidemie zu tun sei.
Seine Erkenntnisse und die anderer Forscher flossen zum Beispiel ein in die 1904 vom Bundesrat beschlossene „Anweisung zur Bekämpfung der Cholera“. Auch darin klingt vieles vertraut. Veranstaltungen sollten abgesagt werden, Leichengefolge seien zu begrenzen, die Schließungen von Betrieben und Schulen zu erwägen.
Und 1919 rät die anhaltische Regierung angesichts der Pocken, „sich unentgeltlich impfen zu lassen. Der Bevölkerung soll in öffentlichen Bekanntmachungen eindringlich empfohlen werden, von dieser Gelegenheit allgemeinen Gebrauch zu machen.“ (mz)