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Post auch München Post auch München: Burgverein Roßlau freut sich über historische Zeitzeugnisse

Von Silvia Bürkmann 14.03.2021, 13:00
„Meines Vaters Arbeitszimmer“ ist ein Foto aus dem Nachlass von Förster Friedel benannt.
„Meines Vaters Arbeitszimmer“ ist ein Foto aus dem Nachlass von Förster Friedel benannt. Ruttke

Roßlau - „Aus dieser Zeit fehlten uns bisher authentische Quellen“, verbirgt Torsten Vollert vom Förderverein Burg Roßlau seine Freude nicht, als er auf ein altes Foto zeigt. Darauf zu sehen ist das ehemalige Wappenzimmer im Wohnturm mit der Möblierung um 1922.

Zum Jahresende 2020 kam Post aus München nach Roßlau. „In den Lebenserinnerungen meines Onkels Franz Lutz Friedel ist von der Burg Roßlau die Rede, hätten Sie Interesse?“, fragt Kay Kröger. Das ist für Vollert vom Burgverein keine Frage. Das älteste Haus der Stadt gibt aus tausendjähriger Geschichte eines seiner vielen Geheimnisse preis.

Ein weißer Fleck blieben bislang die hundert Jahre nach der Rekonstruktion der Wasserburg Roßlau ab 1836 unter Fürst Heinrich von Anhalt-Köthen bis zur Errichtung von Wohnungen in den 1920er Jahren. Jetzt bringt der Kontakt nach München zum Nachfahren eines Försters etwas Licht in die Zeit, wo Adelsresidenz, Ökonomieamt und Verwaltungssitz erstmals als Wohngebäude genutzt wird. „Die Bauhülle kennen wir. Jetzt erhalten wir erste Einblicke“, ist Vollert stolz.

„Die Erinnerungen von Franz Lutz Friedel sind interessant, weil wir ihnen die Gebäude zuordnen können“

Nach dem Tod des Herzoglichen Försters Franz Friedel im Jahr 1919 musste die Witwe Hildegard Emma Friedel mit den Kindern das Forsthaus in Groß Marzehns bei Rabenstein verlassen und bekam von der Herzoglichen Treuhandverwaltung eine Notwohnung auf der Burg Roßlau zugewiesen.

„Die Erinnerungen von Franz Lutz Friedel sind interessant, weil wir ihnen die Gebäude zuordnen können“, so Torsten Vollert. Als Küche bekam Friedel die einstige Küche Herzog Heinrichs zugewiesen. Die lag im Erdgeschoss von Haus IV der Rundburg und ist heute als Hofstube hergerichtet.

Als Keller erhielten die Friedels einen Verschlag, der „40 Stufen tief über einen zugemauerten, unterirdischen Gang“ zu erreichen war. „Damit ist das Lager der heutigen Ritterklause unter dem Treppenturm gemeint“, erklärt Vollert. Tatsächlich gibt es hier den zugemauerten Gang.

Von höchstem Interesse für den Burgverein sind die überlassenen Fotos

In diesem Kontext lässt der „Bericht zum Umbau der Burg Roßlau zu 5 Wohnungen, einschließlich einer bereits vorhandenen“ zusammen mit den Bauplänen von 1923 die Wohnung der Familie Friedel lokalisieren: Demnach befand sie sich im ersten Stock des Wohnturms, denn hier waren keine Änderungen mehr geplant. Erst Planänderungen von 1924 führen Umbauten auch in der Friedel-Wohnung auf. Zu dieser Zeit wohnten hier aber nur noch Emma Friedel und ihr Sohn Franz Lutz Friedel.

Von höchstem Interesse für den Burgverein sind die überlassenen Fotos. Hatte nun der Herzogliche Förster schon zu Lebzeiten, also vor 1919, eine Unterkunft im Wohnturm auf der Wasserburg Roßlau?

Die Wohnungen in der Burg waren bis 1986 belegt

In einem mit Fürstenwappen geschmückten Raum? Die waren beschrieben mit „Joachim Ernst, Fürste zu Anhalt, 1570-1586“, „Rudolph, Fürst zu Anhalt, starb 1621“, „Johann VI., Fürst zu Anhalt, starb 1667“ und „Karl Wilhelm, Fürst zu Anhalt, starb 1718“. Oder hat hier die Witwe Friedel erst später das einstige Wappenzimmer mit Sofa, Stuhl und Chaiselongue zum Wohnzimmer aufmöbliert? „In memoriam“ an den Verstorbenen ausstaffiert mit überbordender jagdlicher Dekoration mit Geweihen, Standuhr und Wandteppichen?

„Das bleibt Spekulation“, sagt Torsten Vollert. Bekannt und belegt ist mit dem „Möbelinventar der Burg Roßlau“ von 1839, dass nach dem Tod von Emma Friedel 1927 die Wohnung aufgelöst und alles verkauft wurde. Nur Schreibtisch, Sessel und Waffenschrank zogen mit Sohn Franz Lutz Friedel um ins Forsthaus Marke.

Die Wohnungen in der Burg waren bis 1986 belegt. Wann die Wappen im Wohnturm überpinselt wurden, bleibt noch ein Geheimnis. (mz)