Personal, gefühlte Sicherheit, Erfolge Personal, gefühlte Sicherheit, Erfolge: Matthias Cichosz, Leiter der Polizeiinspektion Dessau, im Gespräch

Dessau - Das Foto zum Interview ist schwierig: „Keine gestellten Fotos“, sagt Matthias Cichosz, der Leiter der Polizeiinspektion Dessau mit ihren 760 Vollzugsbeamten, und setzt sich in weißem Uniformhemd vor die weiße Wand in einem kargen Beratungsraum.
MZ-Redakteur Steffen Brachert sprach dort mit ihm über die Polizeiinspektion Dessau-Roßlau, über erfolgte und geplante Umstrukturierungen und ungelöste Altfälle. Und der Fotograf machte dabei sein Foto.
Die Polizeiinspektion Dessau-Roßlau wurde zum 1. Januar 2019 gebildet - als Teil der Polizeistrukturreform 2020. Wie lief das erste Jahr?
Matthias Cichosz: Für uns hat sich ja nicht so viel geändert: Aus der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost ist die Polizeiinspektion Dessau-Roßlau geworden. Das Einzugsgebiet mit der Stadt Dessau-Roßlau und den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg ist geblieben, auch die Aufgaben.
Durch die Schaffung der Polizeiinspektion Zentrale Dienste wurde die örtliche Verwaltung allerdings von Teilen ihrer Aufgaben entlastet. Im Gegenzug ist ein Teil des Verwaltungspersonals der Polizeiinspektion Dessau-Roßlau dorthin übergegangen.
Die Polizeistrukturreform wurde 2018 beschlossen, um ganz am Ende mehr Personal auf die Straße zu bekommen. Ist das gelungen?
Matthias Cichosz: 2018 stand die Erkenntnis, dass wir zu wenig Personal haben, um unsere Aufgaben zu erfüllen. Die Probleme sind natürlich 2020 noch nicht gänzlich beseitigt. Das merken wir gerade im Bereich der Kriminalpolizei, wo wir viele altersbedingte Abgänge haben. Da gehen erfahrene Leute.
Wie fängt man das auf?
Matthias Cichosz: An der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben wurde ein Ausbildungsschwerpunkt Kriminalpolizei eingeführt, unter anderem sollen erfahrene Kollegen auf Honorarbasis gewonnen werden, um Weiterbildungen anbieten zu können. Zudem drängen wir frühzeitig auf eine Nachbesetzung von frei werdenden Stellen.
2018 gab es in Sachsen-Anhalt 5.660 Polizeibeamte, 2020 sollen es 6.300 sein
2018 gab es in Sachsen-Anhalt 5.660 Polizeibeamte. Das Jahr gilt als Tiefpunkt. 2020 sollen es 6.300 sein. Profitiert davon auch Dessau?
Matthias Cichosz: Im Februar kommen neue Absolventen von der Fachhochschule der Polizei aus Aschersleben. Wir haben da mit dem Ministerium eine faire Verteilungsregelung gefunden: Alle unbesetzten Dienstposten wurden umgerechnet. Ziel ist es, dass am Ende jede der vier Polizeiinspektionen denselben prozentualen Anteil offener Dienstposten aufweist.
Das gelingt?
Matthias Cichosz: In Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau ist es das natürlich einfacher als in Stendal. Aus dem Bereich gibt es nicht viele Bewerber - und Absolventen, die dorthin müssen, bewerben sich oftmals auf attraktivere Dienstposten in anderen Regionen. Doch das kann nicht das Ziel sein. In der Polizeiinspektion Dessau-Roßlau haben wir derzeit 760 Vollzugsbeamte. 2020 sollen es möglichst 800 sein.
Wie sieht die Situation in der Polizeiinspektion Dessau aus?
Matthias Cichosz: Wir planen eine ähnliche Herangehensweise wie das Ministerium. Wir wollen die personelle Situation in den Revieren vergleichbar machen und angleichen, müssen aber auch beachten, dass es Unterschiede gibt: Nicht alle Reviere haben beispielsweise jüdische Einrichtungen in ihrem Bereich. Deren besonderer Schutz ist als zusätzliche Aufgabe dazugekommen.
Wo sind die Sorgen am größten?
Matthias Cichosz: Das Revierkommissariat Zerbst ist schwierig. Von Köthen trennt es die Elbe. Viele Kollegen in Zerbst haben Bezüge nach Magdeburg. Auch dort gilt: Man bewirbt sich schneller mal weg.
Polizei ist in Dessau-Roßlau schneller vor Ort als in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg
Für die Bürger sind mit Blick auf die Polizei zwei Dinge wichtig: Wie ist die Polizeipräsenz in meiner Gegend? Stichwort: subjektives Sicherheitsgefühl. Und: Wie schnell ist die Polizei vor Ort, wenn sie gerufen wird?
Matthias Cichosz: Mit den durchschnittlichen Interventionszeiten sind wir zufrieden. Im November lagen diese für den gesamten Bereich der Polizeiinspektion Dessau-Roßlau im Durchschnitt bei 17:06 Minuten und damit klar unter der 20-Minuten-Vorgabe bei Einsätzen der Priorität 1, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. Dessau-Roßlau hatte den Durchschnitt von 15:21 Minuten erreicht.
Doch als Stadt ist man gegenüber den Landkreisen wegen der kürzeren Wege natürlich im Vorteil. Wittenberg kam auf 17:10 Minuten, Anhalt-Bitterfeld auf 18:48 Minuten. Angesichts der Personalsituation und der mitunter weiten Anfahrtswege in den Landkreisen sind aber auch das gute Zahlen.
Ein Teil der Polizeistrukturreform sind die Regionalbereichsbeamten vor Ort. Die haben sich bewährt.
Matthias Cichosz: Das ist aber auch kein Wunder. Die Regionalbereichsbeamten sind ein Erfolg, weil sie vor Ort sind, weil sie das Ohr an der Masse haben, weil sie sich auch mal um Probleme kümmern, die eigentlich nicht sofort eine Polizeiaufgabe ist. Auch deshalb sind alle Bürgermeister wie der Teufel hinter dem Weihwasser hinterher, dass jede Stelle besetzt ist. Manch einer erachtet die Regionalbereichsbeamten schon fast als seinen Polizisten.
Mit der Strukturreform verbunden war die Schaffung eines Sachgebietes Täterorientierte Ermittlungen und des Zentralen Verkehrs- und Autobahndienstes verbunden, der sich speziell um schwerere Unfälle kümmern soll. Wie weit ist man da in Dessau?
Matthias Cichosz: Die täterorientierten Ermittlungen, das Zusammenfassen von Straftaten, das hat sich ausgezahlt. Beim Zentralen Verkehrs- und Autobahndienst sind wir bei der ersten Stufe, sind rudimentär arbeitsfähig. Im März soll der Bereich weiter verstärkt werden, geplant sind auch Fortbildungen. Doch das Ganze bleibt eine Herausforderung: Der Dienst hat eine behördenweite Zuständigkeit. Das heißt, man muss schon mal aus Dessau-Mildensee bis nach Jessen fahren, wenn es dort einen schweren Unfall gegeben hat.
„Ich wünsche mir mehr Gelassenheit und mehr Vertrauen in die Arbeit der Polizei“
2019 war ein bewegtes Jahr für die Polizei. Worauf sind Sie stolz?
Matthias Cichosz: Es gab viele Ermittlungserfolge meiner Mitarbeiter, auf die ich jetzt nicht alle eingehen kann. Wir hatten beispielsweise in unserem Fachkommissariat 6, Betäubungsmittel, zwei große Verfahren, so groß, dass da fast das Landeskriminalamt zuständig gewesen wäre.
Die Verfahren haben wir richtig gut hinbekommen. Sonst bin ich generell stolz auf meine Mitarbeiter, die sich auch unter schwierigen Umständen nicht entmutigen lassen, auch noch mal eine Schicht übernehmen, wenn es eng wird. Da ist eine große Bereitschaft da.
Was ist Ihr Wunsch für 2020?
Matthias Cichosz: Ich wünsche mir mehr Gelassenheit und mehr Vertrauen in die Arbeit der Polizei. Man soll uns machen lassen. Gut wäre es auch, wenn mancher überlegt, ob man immer sofort den Notruf wählen muss. Was es da inzwischen für Anrufe gibt. Wenn man da die Maßstäbe des Strafgesetzbuches anlegen würde...
Im Bereich der Polizeiinspektion Dessau gibt es zwei ungeklärte Morde: der Mann aus der Kiste von der Elbebrücke und der Tote von den Stillingen. Haben Sie da noch Hoffnung, die Täter zu überführen?
Matthias Cichosz: Früher oder später bekommen wir alle. Beim unbekannten Toten aus der Kiste zum Beispiel haben wir vor zwei oder drei Wochen erst wieder Hinweise erhalten. Und beim Stillinge-Fall war die Staatsanwaltschaft erst vor kurzem noch einmal bei „Kripo live“. Der Beitrag wurde am Sonntag ausgestrahlt. Wir lassen da keine Ruhe. (mz)
Seit der Polizeistrukturreform gibt es in Sachsen-Anhalt vier Inspektionen. Deren Einzugsgebiete sind deckungsgleich mit den Landgerichtsbezirken und Bereichen der Staatsanwaltschaft.
Während es in Dessau und Halle keine Veränderungen gab, wurde die große Polizeidirektion Magdeburg geteilt und eine Polizeiinspektion in Stendal aufgebaut. Die dortige Polizeidirektion war 2007 aufgelöst worden. Dazu wurde in Magdeburg die Inspektion „Zentrale Dienste“ eingerichtet - unter anderem mit dem Technischen Polizeiamt, der Landesbereitschaftspolizei und der Hubschrauberstaffel.