Paradies am Scholitzer See
DESSAU/MZ. - Das tut man gern. Und kaum hat sich das Eingangstor hinter einem geschlossen, glaubt man, mitten im Paradies zu stehen. Eine farbenfrohe Blütenpracht nimmt den Blick zuerst gefangen, der später an der strahlenden Fachwerkfassade des Hinterhauses hängen bleibt. Grün, wohin das Auge blickt.
Auch der nach dem Hochwasser 2002 neu aufgebaute Wall ist heute ein grünes Paradies, das vom Scholitzer See begrenzt wird. Sybille Lennicke wohnt mit ihrer Familie mitten in diesem Paradies. Besser gesagt, sie haben es geschaffen. Als i-Tüpfelchen bauten sie in den vergangenen zwei Jahren das Vorderhaus aus - und erwarten hier seit dem 1. Mai Feriengäste. "Wir haben lange überlegt, was wir damit machen", erzählt Sybille Lennicke. "Wir brauchten das Haus ja nicht, aber abreißen kam auch nicht in Frage, und so entstand die Idee, dort eine Pension einzurichten."
Die Sanierungsarbeiten in dem 1916 gebauten Haus geschahen dann in Lennicker Art: So viel Altes wie möglich wird erhalten und wieder verwendet. Zwar blieb kein Fußboden drin, wurden Decken verändert, das Dach dem Hinterhaus angepasst, sämtliche Leitungen erneuert, die liebevoll erhaltenen Zeitzeugen wie Türen, Balken, Fenster oder der alte Heißluftofen, der in allen Etagen für wohlige Wärme sorgt, geben dem Haus einen ganz besonderen Charme. "Es ist ein modernes Haus im alten Gewand", beschreibt es die Hausherrin. Liebe zum Detail bewiesen Lennickes auch bei der Sanierung der Fassade. In akribischer Feinarbeit erweckte Frank Lennicke hier beispielsweise zwei Stuckarbeiten zu neuem Leben.
Im Inneren fallen zuerst die neuen alten Türen auf. "Ich weiß nicht, wie viele Schichten Farbe und Lack ich runter geholt habe", erzählt Sybille Lennicke, die stolz ist, so viel Geduld gehabt zu haben. "Es hat sich gelohnt", findet sie. Blickfang sind auch die alten Truhen, die wieder aufgearbeitet wurden und nun zu neuen Ehren kommen. "Wir haben uns auch bei der Einrichtung bemüht, dem Charakter des Hauses zu entsprechen."
Zwei großzügige Ferienwohnungen (eine mit Aufbettung) stecken in dem alten neuen Haus. Eine kleine Terrasse bietet bis in die Abendstunden ein sonniges Plätzchen. Und wer mag, der kann nach einem Spaziergang durch den fast 4000 Quadratmeter großen Garten mit einem Sprung in den Scholitzer See den Urlaubstag krönen. In der kommenden Woche wird Sybille Lennicke ihre Pension vom Tourismusverband zertifizieren lassen. "Dann gibt es auch ein Schild am Eingang."
Die hauptberufliche Berufsschullehrerin freut sich auf Feriengäste. "Besonders auf Kinder, die können sich hier austoben und spielen und wir haben wieder Leben hier." Ihre eigenen beiden Kinder seien mit 22 und 17 Jahren nämlich entweder gar nicht mehr da oder doch schon ruhiger geworden.
Ihr eigenes Zuhause, und das der Schwiegereltern, haben Lennickes übrigens auch selbst saniert. Um 1200 entstand das heutige Hinterhaus, das zunächst Konvent des Klosters Nienburg war. Eine Generalsanierung hatte, laut Balkeninschrift, im 1789 stattgefunden. "Ich kenne hier jeden Stein und jedes Stück Holz", sagt Sybille Lennicke. Tausende Stunden Eigenleistungen steckten in dem Haus - "aber jede Stunde hat sich gelohnt."