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Fehlende Platte Nicht nur besser sichtbar: Warum Stolpersteine in Dessaus Kavalierstraße versetzt wurden

Von Daniel Salpius 01.11.2021, 13:00
Zwei neue und drei alte Stolpersteine vor der Kavalierstraße 66.
Zwei neue und drei alte Stolpersteine vor der Kavalierstraße 66. Foto: Thomas Ruttke

Dessau/MZ - In der Kavalierstraße sind am Donnerstag und Freitag die drei Stolpersteine vor dem Haus Nummer 66 ein kleines Stück versetzt worden. Sie befinden sich nun mittig auf dem Gehweg. Bei der Gelegenheit wurden außerdem gleich zwei zusätzliche Stolpersteine eingelassen.

Wie die Werkstatt Gedenkkultur des Kiez-Vereins, der sich um die 104 Stolpersteine in der Stadt kümmert, mitteilte, war die Umsetzung nötig, weil sie zuvor des Öfteren unter dem Freisitz des dortigen Restaurants Palmyra verschwanden.

Schneepflug hatte bei Räumarbeiten auf vereistem Gehweg einen Stolperstein versehentlich abgerissen

Beim Gedenkstein für Emma Gutmann fehlte seit Februar noch dazu die goldene Platte mit der Inschrift. Mutwillig wurde der Stolperstein allerdings nicht zerstört. Das bestätigte die Dessauer Polizeiinspektion (PI) auf MZ-Nachfrage. „Es handelt sich nicht um eine Straftat“, sagte ein Sprecher der PI. Wie die Polizei schon kurz nach Verschwinden des Stolpersteins ermittelte, hatte ein Schneepflug bei Räumarbeiten auf dem damals vereisten Gehweg die kleine quadratische Platte versehentlich abgerissen. Auf der Alten Landebahn, wohin der beräumte Schnee anschließend gebracht wurde, tauchte die Platte dann auch wieder auf und wurde daraufhin an Johanna Bartl vom Kiez-Verein übergeben, berichtete der Sprecher.

Nun also ist der Stolperstein für Emma Gutmann zurück vor dem Haus, das die jüdische Familie Gutmann als Wohn- und Geschäftshaus für Textilwaren einst in der Kavalierstraße errichtet hatte. Neben Emma wird auf zwei weiteren Platten an ihren Mann Hermann Gutmann und ihre gemeinsame Tochter Meta erinnert. Das Haus in der Kavalierstraße ging auf Geheiß der Nationalsozialisten 1939/40 in „arischen“ Besitz über. Meta Gutmann wurde 1942 von den Nazis in das Warschauer Ghetto deportiert. Ihre Mutter starb Ende des selben Jahres in einem jüdischen Krankenhaus in Berlin. Vater Hermann war bereits 1941 gestorben.

Mit zwei neuen Stolpersteinen wird an zwei weitere Kinder der Gutmanns erinnert: An Hertha Braunsberg und Else Jacobowitz

Mit den beiden neuen Stolpersteinen wird nun an zwei weitere Kinder der Gutmanns erinnert: An Hertha Braunsberg und Else Jacobowitz (beide geborene Gutmann), die in dem Haus in der Kavalierstraße aufwuchsen. Wie Johanna Bartl berichtete, konnten die Geschichten der beiden Frauen nun rekonstruiert werden: Durch Informationen von Verwandten im Kontakt mit der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft in Dessau.

Hertha und Else waren nach Berlin gezogen, waren verheirat und hatten Kinder. Die Schwestern wurden beide Anfang 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Auch Hertha Braunsbergs Sohn Hugo sowie Elses Mann Willy wurden in dem KZ getötet. Else Jakobowitz’ Kinder Edith und Gert hatten es 1939 auf einem Kindertransport nach Nordirland geschafft. Edith besuchte 1997 gemeinsam mit ihrem Ehemann Dessau und stand mit der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft lange im Briefwechsel. Sie starb im Jahr 2021 in London.

Wie der Kiez-Verein mitteilt, werden am 15. November um 13 Uhr die fünf Stolpersteine mit einem Gedenken an die Opfer feierlich an die Stadt Dessau-Roßlau übergeben. Die Werkstatt Gedenkkultur lädt alle Bürgerinnen und Bürger ein, daran teilzunehmen.