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Neue Klagemöglichkeit ab 1. Januar Neue Klagemöglichkeit ab 1. Januar: Verfassungsgericht in Dessau-Roßlau rechnet mit mehr Arbeit

13.11.2018, 06:31
Dessau-Roßlau: Blick auf ein Hinweisschild am Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt.
Dessau-Roßlau: Blick auf ein Hinweisschild am Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt. dpa-Zentralbild

Dessau-Roßlau - Das Landesverfassungsgericht in Dessau-Roßlau rechnet für das kommende Jahr mit deutlich mehr Arbeit. Grund dafür ist die Einführung einer neuen Klagemöglichkeit. Ab 1. Januar können Bürger eine sogenannte Individualverfassungsbeschwerde einreichen, wie Gerichtssprecher Frank Straube sagte.

Damit sind Klagen gegen Entscheidungen von Gerichten und Behörden möglich. Bislang geht das nur gegen Landesgesetze. Erfahrungen aus anderen Bundesländern, in denen es eine solche Möglichkeit bereits gibt, zeigten, dass mit rund 100 Fällen pro Jahr zu rechnen sein, sagte Straube.

Fast 600 Verfahren am Verfassungsgericht bearbeitet

Sachsen-Anhalts Verfassungsgericht gibt es seit Dezember 1993. Zu einem Festakt zum 25-jährigen Bestehen wird am Mittwoch auch der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, erwartet. Die Bedeutung der in Dessau-Roßlau getroffenen Entscheidungen ist groß. „Sie haben Gesetzeskraft und binden Regierung und Parlament unmittelbar“, erklärte Straube.

Seit Etablierung des Gerichts vor 25 Jahren haben die Richter fast 600 Verfahren bearbeitet. Rund die Hälfte davon habe mit der Gebietsreform vor zehn Jahren zu tun, sagte Straube. Zahlreiche Kommunen und Landkreise wehrten sich gegen die Neugliederung.

Im Zuge der Reform waren Landkreise zusammengelegt und zahlreiche Gemeinden größeren Kommunen angegliedert worden. Erfolgreich waren die Klagen aber nur selten. „Nur zwei hatten Erfolg“, sagte Straube. Denn die Richter hatten keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Neuordnung - eine solche Entscheidung stehe der Regierung zu. Bei zwei Gemeinden im Jerichower Land und im Landkreis Wittenberg wurden jedoch Verfahrensfehler gerügt.

Beim Landesverfassungsgericht kann gegen bestehende Gesetze geklagt werden

Grundsätzlich kann beim Landesverfassungsgericht gegen bestehende Gesetze geklagt werden. In den meisten Fällen handele es sich um kommunale Verfassungsbeschwerden, sagte Straube. Die Kommunen ziehen vor Gericht, wenn sie sich in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletzt sehen, das ihnen die Verfassung garantiert.

Oft gehe es dabei um Aufgaben, die den Kommunen vom Gesetzgeber weggenommen wurden oder die neu dazu kamen, ohne dafür mehr Geld bereitzustellen, erläuterte Straube.

Wichtige Entscheidungen traf das Verfassungsgericht unter anderem zu Alkoholverboten auf öffentlichen Plätzen, festen Öffnungszeiten für Grundschulen und zum Nichtraucherschutz. Derzeit werden zwei Verfahren bearbeitet. Die AfD klagte im September gegen die Einführung der Kennzeichnungspflicht für alle Polizisten.

Erhöht sich Zahl der Verfahren durch neue Individualverfassungsbeschwerden?

Die Beamten würden durch die individuelle Nummer auf dem Rücken an den Pranger gestellt, so die Argumentation der Partei. Vor wenigen Wochen reichte der Landkreistag Klage gegen die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses ein. Die Kreise rechnen mit Mehrkosten in Millionenhöhe, weil der Vorschuss künftig deutlich mehr Alleinerziehenden zusteht. Dafür fordern sie mehr Geld vom Land.

Mit der neuen Individualverfassungsbeschwerde dürfte sich die Zahl der Verfahren im kommenden Jahr deutlich erhöhen. Es handele sich jedoch nicht um eine weitere Instanz bei Gerichtsentscheidungen, sagte Straube.

Möglich sei eine Klage nur, wenn sich Bürger durch eine Entscheidung in ihren von der Verfassung garantierten Grundrechten verletzt sehen. Von der neuen Klagemöglichkeit werde sicherlich Gebrauch gemacht werden, sagte Straube. „Sie hat aber nach wie vor Ausnahmecharakter.“ (dpa)