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Reise in Anhalts Vogelwelt Mühlstedt ehrt Vogelkundler Wilhelm Pässler - Warum eine Gebirgsstelze auf der Gedenktafel ist

Von Erik Lisso Aktualisiert: 23.11.2021, 15:38
Die Gedenktafel (im Hintergrund) und ihre Initiatoren Wolfgang Gränitz, Eckart Schwarze und Hartmut Kolbe (v.l.n.r.).
Die Gedenktafel (im Hintergrund) und ihre Initiatoren Wolfgang Gränitz, Eckart Schwarze und Hartmut Kolbe (v.l.n.r.). Foto: Erik Lisso

Mühlstedt/MZ - „Mühlstedt hat jetzt einen neuen Hingucker“, sagt Jürgen Tobies am Sonnabendnachmittag. Eine größere Menschentraube hat sich auf der Dorfstraße vor dem schmiedeeisernen Tor zur Mühlstedter Kirche versammelt. Im Beisein von Ortsbürgermeister, Ortschaftsräten und weiteren Interessierten wurde der neue Anlaufpunkt im Dorf zu Ehren Wilhelm Pässlers offiziell enthüllt und übergeben. De facto sei er ein Kollege und Vorgänger gewesen. „Jedoch hatte er ein ganz besonderes und wichtiges Hobby noch dazu. Ein etwas ungewöhnliches“, resümiert Kreisoberpfarrer Tobies.

Platz der Gedenktafel ist bewusst gewählt

Der Platz der unübersehbar farbenfroh und nagelneu funkelnden Gedenktafel an der Backsteinkirchmauer, er kommt nicht von ohne. In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts war Pässler ab 1859 selbst Pastor im Dorf und ging nebenbei seiner Leidenschaft, der Ornithologie, nach. Beobachten, sammeln und vor allem eines. „Publizieren“, wie Hartmut Kolbe, der Mitinitiator der Gedenktafel, betont. „Das ist wohl die Besonderheit bei Wilhelm Pässler.“

Als einer der ersten habe er seine Erkenntnisse für damalige Verhältnisse wissenschaftlich exakt publiziert. 1856 erschien beispielsweise „Die Vögel Anhalts“. So wies Pässler als einer der ersten die Gebirgsstelze als Brutvogel - angezogen von den Mühlen - in der Gegend um Mühlstedt nach. Auch deshalb ziert ihr Bild die nun angebrachte Tafel. Gleichzeitig beobachtete er Steppenvögel wie den Triel, der heute nur noch in wärmeren Lagen Südeuropas und rund um das Mittelmeer zu finden ist.

Wenig verwundert es daher, dass der Mühlstedter Pastor enge Verbindungen zum in Köthen geborenen Johann Friedrich Naumann unterhielt, dem Begründer der Vogelkunde in Mitteleuropa. „Pässler stopfte keine Vögel aus“, berichtet Kolbe. Er legte jedoch eine relativ große Eiersammlung an, „die man aus heutiger Sicht natürlich verurteilen würde.“

Die Idee zu der Gedenktafel war im Sommer entstanden

Die Idee zur Tafel entstand im Sommer bei gemeinsamer ornithologischer Arbeit Kolbes rund um den Schwalbenflug gemeinsam mit seinen Mitstreitern Eckart Schwarze und Wolfgang Gränitz. Schon seit Jahrzehnten ist der Roßlauer Kolbe selbst in der Vogelkunde unterwegs, beobachtet, engagiert sich und züchtet. Mit Hauptaugenmerk auf den Bereich der Entenvögel. 2006 veröffentlichte er gemeinsam mit Schwarze „Die Vogelwelt der zentralen Mittelelbe-Region“, ein Werk zur Vogelkunde und ihrer Geschichte in der Region Anhalt. Schon dort fand sich Pässler unter den bedeutsamen Persönlichkeiten wieder. „Viele seiner Aufzeichnungen liegen heute im Naumann-Museum und -Archiv in Köthen.“

Ursprünglich sollte die Tafel ihren Platz am Mühlstedter Pfarrhaus schräg gegenüber des Gotteshauses finden. Da es sich jedoch nicht mehr um das originale handelt - etwa um 1900 erfolgte ein Neubau, wich man auf die Pforte der Kirche aus. Mit Zustimmung der Kirchgemeinde wird dort ab sofort nun eine kleine Zeitreise in die Anhalter Heimatgeschichte und die Vogelwelt des 19. Jahrhunderts möglich.