Mordprozess im Fall Yangjie Li Mordprozess im Fall Yangjie Li: Blutspuren, Videoaufnahmen und Zeugenaussagen

Dessau - Sieben Prozesstage sind seit Beginn der Verhandlung im Fall um die getötete Studentin Yangjie Li vergangen. Nach drei Wochen Pause wird der Prozess am Montag vor dem Landgericht Dessau fortgesetzt.
Als Zeugin geladen ist Nebenklägerin Cindy H., die im Jahr 2013 zweimal von Sebastian F. vergewaltigt worden sein soll. Der 21-Jährige steht seit Ende November mit seiner gleichaltrigen Freundin Xenia I. wegen gemeinschaftlichen Mordes und Vergewaltigung an Yangjie Li vor Gericht.
Teil der Anklage ist auch der Vorwurf, dass Sebastian F. seine ehemalige Mitschülerin Cindy H. vergewaltigt haben soll. Die MZ gibt einen Überblick dazu, was der Prozess bisher ergeben hat.
Was ist bisher zur Tat bekannt?
Nach wie vor schweigen die beiden Angeklagten zu den Vorwürfen. Das Gericht ist in diesem Prozess auf Indizien angewiesen. Große Bedeutung haben dabei Aufnahmen der Überwachungskameras aus dem Antiquitätengeschäft in der Johannisstraße 7.
In dem Haus wohnten Sebastian F. und Xenia I. als einzige Mieter. Eine Etage unter ihrer Wohnung soll sich die Tat ereignet haben.
Ein Überwachungsvideo zeigt wie Yangjie Li ins Haus geht und ein Mann später hinaus
Auf den Videoaufnahmen ist zu sehen, wie Yangjie Li am 11. Mai vor dem Haus von einer Frau angesprochen wird. Man sieht sie gestikulieren und nach oben zeigen. Yangjie Li wirkt unschlüssig und folgt dann der Frau. Die Anklage geht davon aus, dass Xenia I. die chinesische Studentin unter Vortäuschung eines Notfalls in das Haus gelockt hat.
Mehrere Stunden später ist auf einem anderen Video zu sehen, wie ein Mann zügig um das Gebäude herum in die Hausmannstraße geht und zurück kehrt.
Gefunden worden war Yangjie Li am 13. Mai unter einer Konifere am Hinterhaus der Johannisstraße 7. Eine Sachverständige der Videoauswertung identifizierte die Chinesin zweifelsfrei. Ob es sich bei dem Mann und der Frau um die Angeklagten handelt, konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen.
Welche Erkenntnisse gibt es zum Tatort?
Vergewaltigt und schwer misshandelt worden sein soll Yangjie Li in einer leer stehenden Wohnung in der ersten Etage der Johannisstraße 7. Dort fanden sich in einem Raum auf den ersten Blick unzählige Blutspritzer an den Wänden, unter anderem auch ein schwarzes Haargummi und ein Teil eines Fußabdrucks.
Das ganze Ausmaß der Bluttat zeigte ein Luminoltest - eine Chemikalie, die Blut unter Infrarottechnik sichtbar werden lässt. Die Spuren zeigen einen Weg vom Eingangsbereich des Wohnhauses, durch das Treppenhaus bis zur ersten Etage in die Wohnung. Es wurde offenbar gewischt und dadurch Blut verteilt, erklärte ein Polizist vor Gericht.
Die Polizei fand auch in der Wohnung des Paares Blutspuren
In der Wohnung des Paares - beide waren da bereits wenige Tage zuvor ausgezogen - fand die Polizei nach der Festnahme von Sebastian F. und Xenia I. einen Wischmopp und Lappen. Auch daran hafteten Spuren von Blut.
Ebenso entdeckt wurde Feuerwehrkleidung, die Sebastian F. gehört haben soll. An der Hose und dem Stiefelpaar war Blut nachzuweisen.
Welche Einblicke gab es zu den Angeklagten und der Polizeiarbeit?
Über Sebastian F. zeichnen Zeugen ein widersprüchliches Bild. Zum einen wird er als „höflich und nett“ beschrieben, auch im Umgang mit den Kindern - beide haben jeweils ein eigenes Kind. Ein gemeinsames starb im Alter von wenigen Monaten.
Auf der anderen Seite gilt der Angeklagte als schwieriger Charakter. Er soll zu Ausbrüchen und auch Gewalt geneigt haben. Mehrfach sei er stationär in psychiatrischer Behandlung gewesen. Gegen ihn wurde wegen Brandstiftungen und Körperverletzungen ermittelt.
Sebastian F. soll Cousine seiner Freundin nach Sex zu dritt gefragt haben
Xenia I. wird als ruhig, zurückhaltend und schüchtern beschrieben. Ihre Cousine berichtete von Beziehungsproblemen des Paares. Sebastian F. soll sexuell frustriert gewesen sein, hatte ihr immer wieder Sex-Nachrichten geschickt und auch direkt nach Sex zu dritt gefragt. Xenia I. habe Angst vor einer Trennung gehabt.
Vor Gericht lassen die beiden selten Regungen erkennen und meiden gegenseitigen Blickkontakt. Nur einmal zeigten sie Emotionen: Xenia I. weinte, als ihre Mutter aussagte. Sebastian F. beleidigte einen Polizisten, der ihn damals vor der Festnahme verhört hatte, mit den Worten: „Halt deine Fresse, Junge!“
Was ist im Prozess bisher zur Arbeit der Polizei heraus gekommen?
Die Nebenklagevertreter der Eltern von Yangjie Li kritisierten von Beginn an eine schleppende Polizeiarbeit bei der Zeugenbefragung und Spurensicherung. So waren Aufnahmen aus den Überwachungskameras des Antiquitätengeschäfts erst fünf Tage nach dem Fund der Leiche am 13. Mai gesichert worden. Allerdings nur eine von insgesamt vier Perspektiven.
Die wichtigsten aber - mit Blick in die Johannisstraße - wurden erst am 25. Mai, also zwei Tage nach der Festnahme des Paares, mitgenommen. In der Kritik steht zudem, dass Sebastian F. und Xenia I. nicht unmittelbar nach dem Fund der toten Yangjie Li befragt worden waren. Sie wohnten als einzige Mieter im direkt angrenzenden Vorderhaus.
Die Rolle von Sebastian F.s Mutter sei "befremdlich"
Das Paar wurde sechs Tage nach dem Fund aufgesucht, aber nicht angetroffen. Die Mutter des Angeklagten, einer Polizistin, stellte dann einen Kontakt her für den 23. Mai, also zehn Tage nach dem Fund.
Befremdlich nannte die Nebenklage diese „verwandtschaftliche Terminvereinbarung“ und hinterfragte damit auch eine mögliche Einflussnahme der Eltern in dem Fall. Der Stiefvater war Leiter des Dessau-Roßlauer Polizeireviers. Doch eine Einflussnahme wurde von Ermittlern bisher verneint.
Tage nach dem Fund der Leiche wurden auch Blutspuren am Gerüst entdeckt, das damals am Hinterhaus stand. Die Polizei fand an der Innenseite zu einem Fenster etwa 40 Zentimeter mit Blut behaftet.
Ob es tatsächlich Pannen bei der Ermittlungsarbeit gab, soll noch einmal an einem gesonderten Verhandlungstag untersucht werden.
Welchen Zeugen kam eine besondere Rolle zu?
Befragt wurden vor allem Polizeibeamte zur Ermittlungsarbeit und Personen aus dem Umfeld der beiden Angeklagten. Eine wichtige Rolle kam einer Freundin der Mutter von Sebastian F. zu. Sie berichtete von Problemen des Jungen in der Schulzeit, von psychiatrischer Behandlung und dem Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs am Stiefbruder. Dies habe ihr die Mutter erzählt. Bestätigt haben soll sich der Vorwurf später aber nicht.
Die Mutter von Sebastian F. gilt derzeit als verhandlungsunfähig. Einige Zeugen berichteten zudem von aufgewühlten Anrufen und Nachrichten Sebastian F.’s am 13. Mai, kurz nachdem die Leiche von Yangjie Li gefunden worden war. Er wolle so schnell wie möglich ausziehen, hatte er erklärt. „Ich will hier weg, ich muss ausziehen. Hier werden Leute umgebracht“, sagte er beispielsweise einer Zeugin. Einem anderen gegenüber erklärte er, dass er Angst habe, weil ein Mörder frei herum laufe.
Eine ehemalige Chefin beschreibt den mutmaßlichen Täter als schwierig und unreif
Eine DRK-Mitarbeiterin, die Sebastian F.’s Vorgesetzte war, beschrieb ihn als einsatzbereiten, aber schwierigen und unreifen Mann, der „etwas bedeuten wollte, ein Held sein wollte“. Die Mutter von Xenia I. sagte aus, dass ihre Tochter mit Sebastian F. nicht klar gekommen sei, er habe sie oft angelogen und in der Beziehung das Sagen gehabt.
Ein Polizist erinnerte sich vor Gericht an die erste Vernehmung mit Sebastian F., der damals zunächst als Zeuge befragt wurde. Als „emotionslos und arrogant“ hatte er F. wahrgenommen. Dieser hatte zunächst erklärt, das Opfer nicht zu kennen. Als die Befragung bereits beendet war, sagte er plötzlich aus, dass es einvernehmlichen Sex zu Dritt gegeben habe. Unmittelbar danach wurde das Paar festgenommen. Auch Xenia I. hatte bei Vernehmungen die Version von einem Dreier angegeben. (mz)
