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Letztes Mal am Herd vom "Landei" Letztes Mal am Herd vom Regionalladen "Landei" in Dessau: Betreiber Gerlinde und Erwin Bütof verabschieden sich

Von Annette Gens 25.10.2019, 09:18
Gerlinde und Erwin Bütof machten das „Landei“ zu einer regionalen Oase. Jetzt sagen sie „Tschüss“.
Gerlinde und Erwin Bütof machten das „Landei“ zu einer regionalen Oase. Jetzt sagen sie „Tschüss“. Thomas Ruttke

Dessau - Am Freitag steht Gerlinde Bütof zum letzten Mal im Regionallädchen „Landei“ am Herd. Sie kocht Nudeln mit Wurstgulasch. Vermutlich wie immer werden sich ihre Gäste gegen 12 Uhr in eine Schlange einreihen, um eine Portion vom frisch gekochten Mittagessen abzubekommen.

Soweit normal, ist an diesem Freitag doch alles anders: Das Landei ist in der nächsten Woche wegen Inventur und einer Umbaumaßnahme geschlossen. Das Geschäft geht dann ab 4. November weiter - allerdings ohne die beiden Zerbster Gerlinde und Erwin Bütof.

Das „Landei“ hat demnächst neue Inhaber. Vorstellbar ist das nur schwer. Denn das kleine Regionallädchen in der Dessauer Johannisstraße 18 hat sich in den zehn Jahren seines Bestehens seinen Namen wortwörtlich erarbeitet. In erster Linie steht das Lädchen für täglich frisch gekochtes Mittagsessen, innovative Suppen (Rote Beete mit Orangen), auch anhaltische Gerichte, eine reiche Auswahl an Salaten und Nachtisch.

Das „Landei“ steht auch für viele regionale Produkte

Es steht aber auch für viele regionale Produkte - vom Heckrind über Fisch, Käse und Wurst, Marmeladen, Spirituosen, Biobrot, Senf, Gewürze, Öle, heimisches Obst und Gemüse, Kekse, Getränke sowie selbst gemachte Pestos - und damit für alles, was die Region an Lebensmitteln zu bieten hat. „Auf 60 Quadratmetern findet man eigentlich alles, was man im täglichen Leben braucht“, heißt es auf der Internetseite des Landeis.

Noch vor drei Jahrzehnten hatten sich die Bütofs, die ins Landei sehr viel Liebe investierten, vermutlich nicht träumen lassen, einmal so ein Regionallädchen erfolgreich zu führen. Beide stammen vom Land, er aus einem Dorf bei Hettstedt, sie aus einer 70-Seelen-Gemeinde bei Zerbst, weshalb für das Ehepaar der Name „Landei“ immer Programm war.

Kennengelernt hatten sich die Beiden an der Universität. Sie sind Diplom-Agraringenieure, ihnen standen gute berufliche Perspektiven bevor, die sich mit der politischen Wende zerschlagen hatten. Da wurde der einstige LPG-Vorsitzende einer Tierproduktion zunächst zum Versicherungsmakler. Und die Mitarbeiterin in der Pflanzenproduktion zur Anzeigenberaterin. Nach Arbeitslosigkeit fand Gerlinde Bütof eine Beschäftigung in der regionalen Fördergesellschaft Anhalt Dessau AG, half dort, einen Regionalladen im Bahnpostamt aufbauen. Doch die Anhalt-AG ging in Insolvenz, der Traum von einem Geschäft mit regionalen Produkten blieb.

Gerlinde Bütof startete in der Johannisstraße im November 2009 mit einem Geschäft

Gerlinde Bütof startete in der Johannisstraße im November 2009 mit einem Geschäft - und musste viel Lehrgeld zahlen und noch mehr Kraft investieren. Die Betriebskosten waren zu hoch, weshalb bald der Umzug in ein kleineres Ladengeschäft erfolgte. Um die Einnahmebilanz zu verbessern, wurde nun auch täglich frisch eine Mahlzeit gekocht. Die Nachfrage wuchs stetig. Die Arbeit wurde immer mehr. Doch beide investierten viel Herzblut. So fand das Landei zum Beispiel durch monatliche Lesungen von Kräutermärchen viele Anhänger.

„Wir waren hier täglich zwölf Stunden im Dienst“, blickt die 62-Jährige zurück. „Man muss aufpassen, sich nicht zu verlieren. Manchmal merkt man nicht mehr, dass man krank ist und man nur funktioniert.“ Der Tod eines Studienkollegen habe den Ausschlag gegeben, eine Entscheidung zu treffen. Als Bütof von der Beisetzung zurück ist, ist sie sicher: „Es muss sich etwas ändern.“

„Wir haben unserem Nachfolger alle Rezepte hinterlassen“

Leicht fällt der Abschied, der jetzt so nah ist, nicht. „Wir haben unserem Nachfolger alle Rezepte hinterlassen“, erzählt Gerlinde Bütof und weiß, die von ihr gekochte Kartoffelsuppe war immer ein Renner. Ihr Geheimnis sei, dass sie nur heimischen Kartoffeln verwendet hatte. „So schmeckt eben nur die Region.“

Allerdings möchte Bütof nicht gehen, ohne noch einen Hinweis zu geben: „Ich habe mein Gewerbe bei der Stadtverwaltung abgemeldet und hätte mich gefreut, wenn man dort wenigstens mal ein ermunterndes Wort gefunden hätte“, ist die Händlerin ein wenig enttäuscht und bestätigt von dem Bild, das sie von der Verwaltung bereits hatte: Sie vermisste eine „konstruktive Zusammenarbeit“ und jüngst ein „Alles Gute für Sie“, erzählt sie. Schön wär’s, sagt sie, wenn sich das in Zukunft ändern würde. (mz)

Das Regionallädchen in der Johannisstraße.
Das Regionallädchen in der Johannisstraße.
Thomas Ruttke