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Lehrermangel Lehrermangel: Aufatmen an der Grundschule Ziebigk

Von Heidi Thiemann 23.06.2015, 19:16

Dessau-Rosslau - Der öffentlich gemachte Ärger von Elternvertretern um den Personalnotstand an der Grundschule „Ziebigk“ „hat was gebracht“, sagt Schulelternrat Hans-Jürgen Eiserfey. „Den Rest des Schuljahres kommen wir gut hin“, atmet Schulleiterin Beate Günther auf. Sie, ihre Stellvertreterin Katrin Centiny und die Elternvertreter der Schule trafen sich am Dienstagnachmittag zum Gespräch mit Referatsleiter Jens Antefuhr aus dem Kultusministerium und Christian Walbrach vom Landesschulamt. Informiert wurde dabei, wie es jetzt in Ziebigk weitergeht.

Handlungsdruck

Nachdem es bereits eine Abordnung einer Lehrerin aus einer anderen Schule für zehn Wochenstunden gab, kommt ab Mittwoch eine weitere Kollegin für 23 Wochenstunden nach Ziebigk. Außerdem wurden die Abordnungen von eigenen Lehrerinnen an andere Grundschulen vom Landesschulamt zurückgenommen. „Die Kolleginnen Schulleiterinnen haben sich sehr solidarisch gezeigt“, sagt Günther dazu. „Nun hoffen wir, dass wir im neuen Schuljahr unter normalen Umständen starten können und alle Kolleginnen möglichst wieder gesund und einsatzbereit sind.“

„Wir wollen die Schule wieder so gut versorgen, wie sie zum Anfang dieses Schuljahres gestartet ist“, erklärt Christian Walbrach vom Landesschulamt. Solch zugespitzte Situation wie an dieser Grundschule - sieben von 13 Lehrerinnen krank, zusammengelegte Klassen von der ersten bis zur dritten Klasse und Unterrichtsausfall in Größenordnungen - „habe ich noch nicht erlebt“, gibt Referatsleiter Jens Antefuhr zu. Er und Walbrach erklärten aber gegenüber der MZ, dass „die Situation sehr schwer zu händeln und keine Lösung aus dem Stegreif möglich“ war. Dass die Intervention der Eltern jetzt zu der Lösung geführt habe, bestritten beide, denn an der Grundschule hätte ohnehin gehandelt werden müssen. Doch Walbrach versicherte: „Wir nehmen die Eltern ernst. Briefe von Eltern unterstützen unsere Aufmerksamkeit. Ihre kritische Betrachtung schärft unser Problembewusstsein.“

An der Grundschule Ziebigk lernen 227 Kinder. Der Schule sind für elf Klassen insgesamt 13 Lehrerinnen zugeteilt, das sind elf Klassenlehrerinnen (eine davon ist gleichzeitig die Schulleiterin) und zwei Fachlehrerinnen. Dazu kommen anderthalb Stellen für pädagogische Mitarbeiterinnen.

Aufgrund von Erkrankungen der Lehrerinnen wurden allein im März ein Drittel der Unterrichtsstunden nicht planmäßig erteilt. Vergangenen Woche Donnerstag waren für die vier Klassenstufen nur noch vier Klassenlehrerinnen da. (hth)

„Gott sei Dank bekommen wir jetzt Unterstützung“, atmet Katrin Centiny auf. „Die letzten Wochen waren wirklich eine arge Belastung.“ Die Arbeit der ausgefallenen Kolleginnen musste abgepuffert werden. Nun aber, so Schulleiterin Günther, könne am Freitag der große Sportabzeichentag abgesichert werden und auch am 9. Juli das große Abschlussfest stattfinden, bevor es am 10. Juli Zeugnisse gibt.

Obwohl das Schuljahr jetzt in ruhigem Fahrwasser in der Grundschule Ziebigk zu Ende gehen kann, sind Eiserfey und und die anderen Elternvertreter unzufrieden aus dem Gespräch gegangen. „Das ist doch kein Einzelfall an unserer Schule, sondern ein allgemeines Problem“, schimpft Eiserfey und sagt: „Ein Loch wird gestopft und ein anderes dafür aufgerissen. Wo ist da eine Planung?“ Besonders erschüttert hatte ihn wie auch etwa Elternvertreterin Sandra Henze aus der Klasse 1c, dass Grundschullehrer in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt 51 Jahre alt sind und kaum Neueinstellungen erfolgten. In Ziebigk ist jüngste Lehrerin 46.

Was Henze ebenfalls ärgert, dass den Lehrern immer wieder Stunden abgeknappst werden. Was dazu führte, dass die Schulleiterin und ihre Stellvertreterin auch Klassenlehrer sind. „Das ist auf Dauer nicht tragbar“, stellt die Mutter fest. Für sie ist ebenfalls ein Unding, dass diejenigen, die sich in Alterszeit befinden, zwar nicht mehr an Schulen unterrichten, aber trotzdem noch in der Statistik auftauchen. „Es muss etwas geschehen“, sagen Henze wie auch Eiserfey. „Hier kann man nur politisch was bewegen.“

Dass bereits Bewegung in der Sache ist, versicherte Martin Hanusch, Pressesprecher im Kultusministerium. In diesem Jahr würden in Sachsen-Anhalt 370 Lehrer eingestellt plus 100 Lehrer Vertretungsreserve - für alle Schulformen. Ziel sei, eine Unterrichtsversorgung von 103 Prozent zu erreichen, um auf Ausfälle besser reagieren zu können. Zuletzt lag der Schlüssel bei etwa 101 Prozent.

Fehlplanung

Das ist alles deutlich zu wenig, findet Alexander Pistorius vom Landesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften und spricht von Fehlplanungen. Denn zum einen würden jährlich 800 bis 1 000 Lehrer in Sachsen-Anhalt den Schuldienst aus Altersgründen verlassen. Zum anderen müsste an den Schulen mindestens mit vier Prozent über dem Bedarf geplant werden, um Ausfälle, Fortbildungen usw. abdecken zu können. Dass in solch krassen Fällen, wie Ziebigk einer ist, nicht schnell geholfen werden konnte, liegt für Pistorius deshalb auf der Hand: „Die andere Schulen krauchen doch auch auf dem Zahnfleisch.“ (mz)

Christian Walbrach (Foto) vom Landesschulamt kam mit Jens Antefuhr vom Kultusministerium zum Gespräch an die Grundschule Ziebigk.
Christian Walbrach (Foto) vom Landesschulamt kam mit Jens Antefuhr vom Kultusministerium zum Gespräch an die Grundschule Ziebigk.
Lutz Sebastian Lizenz
Grundschule Ziebigk. Hier lernen derzeit 227 Kinder.
Grundschule Ziebigk. Hier lernen derzeit 227 Kinder.
Sebastian Lizenz