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Landkreis Anhalt-Zerbst Landkreis Anhalt-Zerbst: Lustwandeln unterm steinernen Wolf

Von Claus Blumstengel 19.07.2002, 14:55

Wendgräben/MZ. - "Hier hinten soll noch irgend etwas sein?", zweifelt der Besucher auf der schmalen, endlos scheinenden Wendgräbener Chaussee. Die Hand voll schmucker Bauernhäuschen am nördlichsten Zipfel des Landkreises Anhalt-Zerbst, die sich "Wendgräben" nennt, hat er längst hinter sich gelassen. Links Ahorn, rechts Ahorn und ringsum immer dichter werdender Laubwald.

Doch dann scheint es, als hebe sich plötzlich ein Vorhang aus grünem Blättergewirr und gibt den Blick auf eine märchenhafte Kulisse frei. Hinter einem Teich mit Springbrunnen erhebt sich ein kleines Schloss aus Granitbruchstein mit Turm und einem großen Wolfsrelief über der Unterfahrt zum Eingang.

Der Wolf ist das Wappentier der Familie von Wulffen. Das Relief hatte der Bildhauer Gerhard Marcks 1909 geschaffen. Italienische Steinmetze errichteten das versteckte Schloss 1910 bis 1912 im Auftrag des Hans-Waldemar von Wulffen. Entworfen hat es der berühmte Architekt Professor Hermann Muthesius (1861-1927). Die Adelsfamilie wollte in Wendgräben bei Loburg ihren Stammsitz einrichten. Der 28 Meter hohe Aussichtsturm mit einem Durchmesser von neun Metern gleicht denn auch dem Turm des im Mittelalter errichteten und bereits 1900 ziemlich maroden ursprünglichen Stammsitzes auf der Loburger Burg.

Von Wulffen legte nicht nur Wert auf geschmackvolle Architektur. Mit dem Auftrag an den Düsseldorfer Gartenarchitekten Professor Walter von Engelhardt zur Gestaltung des weiträumigen Parkes um Schloss Wendgräben bewies er auch landschaftsgestalterischen Instinkt. Engelhardt kam es nicht auf kunstvolle und künstlich wirkende Pflanzenensembles an. Er achtete viel mehr darauf, dass sich der Garten organisch in die herrliche Natur ringsum einfügt und mit den Gebäuden harmoniert. Noch heute findet man unter den etwa 150 Baum- und Pflanzenarten Traubenweiden, Azaleen, Esskastanien, Schwarzkiefern und seltene Rhododendron-Arten, die der Park dem Wirken Engelhardts zu verdanken hat.

Auf Wunsch des Bauherrn von Wulffen ließ Engelhardt als Nistgelegenheiten für die Vögel gedachte Gehölze wie Feldahorn, Berberitze, Wildrosen und Schlehdorn pflanzen. Auch an Gehölze mit Beeren als Winterfutter wurde gedacht.

Bis zu seiner heutigen Nutzung als Bildungszentrum der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hat der einstige herrschaftliche Familiensitz eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die Familie von Wulffen konnte sich ihres Stammsitzes nur bis 1939 erfreuen. Dann richtete die nationalsozialistische Volkswohlfahrt in dem Schloss ein Entbindungsheim ein. Ab 1947 wurde das Gebäude als Internatsschule genutzt. 1991 erwarb es die Konrad-Adenauer-Stiftung vom Landkreis Zerbst. Nach umfangreicher Sanierung verfügt Schloss Wendgräben heute über 18 Einzel- und 22 Doppelzimmer, Seminarräume, Sauna, Fitnessraum und eine Gaststätte.

Wer mehr über die Geschichte des Schlosses Wendgräben erfahren möchte, der kann eine Führung vereinbaren. Christa Nowack, eine ehemalige Schülerin der hier bis 1975 untergebrachten Heimoberschule, weiß vieles noch aus eigenem Erleben zu berichten und kennt als einstige Bewohnerin natürlich jeden Winkel des imposanten Gebäudes. So lernt der Besucher in ihrer Begleitung zum Beispiel das Kaminzimmer und das von der Stadt Loburg als Standesamt genutzte Trauzimmer mit der gotischen Stuckdecke kennen und wird sicher auch den Turm erklimmen, um auf der Panorama-Etage den Blick nach Loburg und weit hinein ins Jerichower Land zu genießen.

Zum Mittag Essen oder Kaffee Trinken muss man das herrliche Gelände nicht verlassen. Die Gastronomie im Schloss bietet ab morgens 7 Uhr bis in die Nacht hinein von Wildspezialitäten und vielen heimischen Gerichten über Eis bis hin zu selbst gebackenem Kuchen und Torten alles was der Magen begehrt.

Gekürzte Fassung - Den Originaltext lesen Sie in der Lokalausgabe Roßlau am Sonnabend, 20.07.2002.