Landesbücherei in Dessau Landesbücherei in Dessau: 500 Jahre altes Buch muss restauriert werden

Dessau/MZ - Das Buch hat über 500 Jahre „auf dem Buckel“. Und das sieht man ihm auch an. Der Rücken zeigt Risse und Schadstellen im Halbledereinband, vom Holzdeckel ging ein gutes Stück verloren, die Schließe war irgendwann ausgerissen worden . Und das heute nur für Kenner, Historiker oder Archivare ansehnliche Werk gehörte zu den Beständen der Bibliothek von Fürst Georg III. von Anhalt (1507-1553).
Die Aktion „Buchpaten gesucht“ wurde im April 2001 in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau anlässlich des „UNESCO- Welttag des Buches“ gestartet. Als einer der ersten Buchpaten ermöglichte der damalige Oberbürgermeister Hans-Georg Otto die Restaurierung von zwei Bänden der Dessauer Chronik von Bernhard Heese.
Seither haben viele Paten (Bücherliebhaber, Politiker, Familien, Gruppen, Institutionen, Firmen u.a.) die Restaurierung von schwer geschädigten Büchern übernommen. Allerdings bleibt noch viel zu tun, um die wertvollen Bestände der Nachwelt zu erhalten.
Häufige Benutzung, Tintenfraß, Kriegseinwirkungen, Papierzerfall und lange unzureichende Unterbringung der Handschriften und Druckwerke haben ihre Spuren hinterlassen. Wie viele Bibliotheken weltweit ist die Dessauer Bibliothek nicht in der Lage, aus eigener Kraft alle Schäden zu beseitigen.
Mehr Informationen: www.dessau.de/Deutsch/Buergerservice/Dienstleistungen-der-00613/Anhaltische-Landesbu-02901/Buchpatenschaften-alt/
Zwischen die zwei Buchdeckel eingebunden wurde faktisch ein Kalender, seit Erfindung des Buchdrucks ein wichtiges Medium für Information und Unterhaltung. Der Augsburger Buchdrucker Johann Blaubirer produzierte 1481 und 1483 zwei Deutsche Kalender. Von der Ausgabe 1481 sind weltweit noch fünf Exemplare nachweisbar. Eine davon in Dessau. In dem Sammelbuch aus der Fürst-Georg-Bibliothek.
Werner Lautenschläger, Vorstandsvorsitzender des Wohnungsvereins Dessau, hat namens seiner 3580 Gesellschafter die Patenschaft für die Restaurierung des Werkes übernommen und gestern das ebenso wertvolle wie sanierungsbedürftige Buch in die Hände von Christoph Roth, Geschäftsführer der Buchrestaurierung Leipzig GmbH gelegt. „Zum Leben gehört eben auch mehr als Wohnen“, betritt Lautenschläger da keineswegs Neuland. Der Wohnungsverein hatte bereits 2012 als einer der Hauptsponsoren die Herausgabe der Festschrift „...viele Manuscripta und andere Bücher“ zum 90. Jahrestag der Anhaltischen Landesbücherei unterstützt.
Bürgerschaftliches Engagement sehr wichtig
Bürgerschaftliches Engagement werde immer mehr „überlebenswichtig“ für den Erhalt alten Schriftgutes, weiß Roth, dessen Buchrestauratoren sich über jeden Auftrag freuen. Im Einsatz war das sächsische Unternehmen in der Region bereits häufig: Im Stadtarchiv Dessau-Roßlau, im Landesarchiv, im Francisceum Zerbst, in Köthen.
Die wertvollen historischen Bestände der Wissenschaftlichen Bibliothek der Anhaltischen Landesbücherei führen tief in die Geschichte. Und zu einer „Sternstunde der Menschheit“, als Johannes Gutenberg um 1450 den Buchdruck mit beweglichen Metalllettern erfand. Aus dieser Wiege des Buchdrucks gingen bis 1500 die „Inkunabeln“ (lat. incunabula- Windeln) hervor. In diese Frühzeit gehört das 1475 in Trient gedruckte „Rechenbuch“, das in den „Sammelband“ eingefügt wurde. Das Dessauer Exemplar vom Rechenbuch ist weltweit das einzig erhaltene und es beschreibt neben den bis heute gültigen Grundrechenarten auch eine Variante vom „Gewinnrechnen“. Formuliert sind die Kapitel in deutscher Sprache und gut verständlich, wie Martine Kreißler meint, die Leiterin der Wissenschaftlichen Bibliothek.
Und so gibt es auf 263 Blatt (á 2 Seiten) des Kalendariums Interessantes zu lesen: Von Monatsregeln mit astromedizinischen Anweisungen für die Gesundheit, von kosmologischen Planetenläufen nach ptolemäischem Weltbild bis hin zu medizinischen Betrachtungen. Einfache, volkstümliche Holzschnitte beschreiben auch für Analphabeten das Vorgehen: Zum Beispiel an einem „Aderlass-Männchen“.