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Künstlerische Weihe für neue Bühne

Von SILVIA BÜRKMANN 02.11.2008, 20:02

DESSAU/MZ. - "Es ist besser, Ehrungen zu verdienen und nicht geehrt zu werden, als geehrt zu sein und es nicht zu verdienen", schöpfte Oliver Thust aus dem reichen Born der Spruchweisheiten und Aphorismen aus der Feder des fleißigen Vielschreibers Mark Twain, um ein Paradoxon zu erklären: Der aktuelle Vorsitzende des "Freundeskreises des Dessauer Theaters" wollte ein neues Ehrenmitglied in seinen Reihen küren. Und zwar denjenigen, der ihm vorangegangen war, der 1994 als Gründungsvorsitzender den Freundeskreis aus der Taufe gehoben und beharrlich die Notwendigkeiten und Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements befördert hatte.

Unter Plettners Ägide habe sich der Freundeskreis zu einem der größten kulturellen Vereine der Stadt entwickelt und auch als ideeller und materieller Förderer des Anhaltischen Theaters einen Namen gemacht. Um ein hochgestecktes, anfangs gar unerreichbar erscheinendes Ziel doch zu erreichen, hatte der Mentor des Freundeskreises die allgemein üblichen Klagehymnen umgeschrieben. Und so wurde aus "Man müsste mal was tun" oder "die sollten mal was tun" in Plettners Lesart die Frage: "Was kann ich tun?"

Nachdem die Mitgliederversammlung nun bereits im Januar die Ehrenmitgliedschaft für ihre treibende Kraft beschlossen hatte, konnte sich der Spiritus Rector nicht mehr wehren, hieß es augenzwinkernd in Oliver Thusts Laudatio. Was folgt, war donnernder Applaus vom Publikum, Dank und beste Wünsche vom Verwaltungsdirektor des Anhaltischen Theaters Joachim Landgraf und Schlangestehen zum Händeschütteln. Das Kulturzentrum Altes Theater schreibt an seinem ersten Premierenabend schon an seiner Chronik.

Das Start-Wochenende verläuft verheißungsvoll vor allesamt ausverkauften Plätzen. Das Volksstück "Lysistrata" nach Aristophanes auf der Puppenbühne zum Auftakt gefällt. Handfest, drastisch, amüsant und auch nach zweieinhalbtausend Jahren zeitnah wie kaum ein zweites Stück auch dem üppigen Theaterschatz der Griechen. Frauen zwingen nach einem 20-jährigen Krieg ihre Männer zum Frieden - durch die Verweigerung des Beischlafs. "Ein uraltes Thema, was sich in der Realität ja nun nicht verwirklichen lässt", hebt Guntram Voland fast ein wenig resignierend die Achseln. "Aber wunderbar, wie hier versucht wird, den historischen Stoff volkstümlich darzustellen." Der Gast aus Berlin, der mit seiner Frau Inge die Vorstellung auch deshalb besucht, um den Sohn und Schauspielstudenten Ulli bei dessen ersten Engagement auf der Bühne zu erleben, ist von der Leistung des Filius und des Ensembles angetan. Wie auch Manfred Flügel. Der kulturinteressierte Dessauer findet vor allen an der Atmosphäre der Puppenbühne Gefallen. Da sei man ganz dicht am Geschehen, direkt dabei. Sehe die Mimik und Gestik auf kleinste Entfernung. "Das macht das Theatererlebnis noch intensiver als auf der großen Bühne."

Nachdem sich die Besucher der Puppentheaterbühne in der ersten Etage langsam auf den Heimweg machen, sammeln sich im Foyer die Gäste für das zweite Stück des Abends, wo im Studio im zweiten Stock "Adams Äpfel" gegeben. Renate, Günter und Thomas Mehnert freuen sich auf einen unterhaltsamen Abend. Die gebürtige Dessauerin Renate ist in der Ruinenstadt aufgewachsen. Die große Geschichte und Dramatik des Alten Theaters aber kam ihr in den 31 Jahren nahe, da sie im Ensembles des Dessauer Theaters wirkte. Das im Januar 1922 bei einer Feuersbrunst zerstörte Friedrich-Theater in der Kavalierstraße, vormals Herzogliches Hoftheater, hatte weit über die Stadtgrenzen hinaus einen großen, einen guten Ruf. "Und den hat das Anhaltische Theater auch."

Zur Rufbildpflege der Kulturadresse Dessau steuert nun auch das Kulturzentrum Altes Theater sein Scherflein bei. Wie ein Blick durch die großen Scheiben des am Donnerstag neu eröffneten Theater-Restaurants offenbart, ist der Ruf bei vielen Menschen angekommen. Dessau hat ein neues Altes Theater.