Kühnauer Park Kühnauer Park: Plötzlich Winzer im historischen Weinberg

Dessau - Es ist ein warmer Sommertag im Kühnauer Park. Vom Weinbergschlösschen aus öffnet sich der Blick auf den Kühnauer See. Zur südlichen Seite schaut man auf Rebstöcke. Die kleinen Fruchtstände daran deuten auf eine reiche Ernte im Herbst hin. Darüber freuen sich besonders Hanjo Kopp und Jan Sterzik. Was sie mit den Trauben machen, liegt auf der Hand: Die werden gekeltert.
Ärger über Zustand des Weinbergs
Hanjo Kopp, in Dessau bekannt als Musiker und Inhaber des Musikfachgeschäfts „Musik-Erber“ und sein Lebensgefährte Sven Sterzik, der Jugendliche bei der Berufswahl begleitet, sind im vorigen Jahr auf die Trauben gekommen. Schuld daran ist eigentlich Kira, die 13-jährige betagte Dalmatiner-Hündin aus dem Haus Kopp/Sterzik. Kira lässt sich gern durch den Kühnauer Park führen. Kopp und Sterzik ärgerten sich bei solchen Gelegenheiten über den Zustand des Weinbergs im Kühnauer Park und fragten vor Jahren schon nach. Der Weinberg war verpachtet. Erst im Frühjahr 2016, als das Unkraut die Terrassen schon fest im Griff hatte, gab es grünes Licht. Der bisherige Pächter hatte aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Die beiden Dessauer waren plötzlich Winzer und Inhaber eines Pflegevertrages über den historischen Weinberg.
Wochenlang wurde auf den sechs Terrassen hart geackert, obwohl weder der eine noch der andere früher ein Faible fürs Gärtnern hatte. „Doch das ist ein guter Ausgleich zu unserer beruflichen Tätigkeit“, sagt Kopp. Als schließlich die erste Ernte anstand, mussten 91 Kilo Trauben in die Ballons. Weißer, Rosé und Rotwein wurden gekeltert, wobei Sterzik und Kopp für den nächsten Jahrgang durchaus noch Potenziale sehen. „Unser Wein besteht nur aus Trauben, Zucker und Wasser“, lacht Kopp. „Beim nächsten Mal nehmen wir weniger Zucker.“
Wenn die neuen Pächter in der Terrasse arbeiten, sind sie übrigens selten allein. Mancher Großkühnauer sprach den Beiden schon ein Lob aus. Der Weinberg habe noch nie so gepflegt ausgesehen wie jetzt. „Das“, so gesteht Kopp, „geht natürlich runter wie Öl. “ Und weil die Radtouristen, die den Weinberg entdecken, etwas über dessen Geschichte erfahren wollen, hat Kopp am Zaun einen kurzen geschichtlichen Abriss befestigt, „sonst kämen wir manchmal nicht mehr zum Arbeiten“, lacht er. Kühnaus Weinberg ist außerdem neuerdings auf Facebook zu finden.
Blütezeit unter Fürst Leopold Friedrich Franz III.
Alt ist der Weinberg am Kühnauer Park in seiner jetzigen Form übrigens nicht. Erst vor rund 20 Jahren wurde der rechte Teil des historischen Weinbergs denkmalgerecht rekonstruiert. Gepflanzt wurden 96 Rebstöcke. Zehn Jahre später übernahm ein Dessauer Kleinunternehmer die Pflege des Weinbergs. Zu dieser Zeit waren 30 Rebstöcke eingegangen. Seine Blütezeit aber hatte der Weinberg schon viel eher. Fürst Leopold Friedrich Franz III. von Anhalt Dessau gab den Auftrag zum Bau von Weinberghaus und Terrassen. Baumeister Carlo Ignazio Pozzi setzte diesen Auftrag um. Die Terrassenanlage bestand aus Lehm und dem seltenen Rogenstein. Bepflanzt war sie mit zum Teil sehr seltenen alten Rebsorten. Anfang des 20. Jahrhunderts verfiel der Kühnauer Park mangels Pflege zusehends. Erst 1976 wurde er in den Landschaftspflegeplan der Stadt aufgenommen.
Inzwischen setzten auch Kopp und Sterzik neue Rebstöcke. Es sind jetzt wieder 99. Die beiden Hobbywinzer überlassen es nicht dem Zufall, dass die Reben wachsen und gedeihen. (mz)