Kritische Worte an die Verwaltung
Dessau/MZ. - Dessaus Wirtschaftsverbände sind in höchstem Maße unzufrieden mit der Wirtschaftspolitik dieser Stadt. Davon setzten sie am Dienstag den Wirtschaftsausschuss in Kenntnis und forderten eindringlich die Berufung eines Wirtschaftsdezernenten. Und begründeten dies. Mit offenen und kritischen Worten.
"Die Wirtschaftsförderung zur Chefsache zu machen, wie es seit Jahren in Dessau praktiziert wird, funktioniert nicht", sagte etwa Mirko Kirschner, Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren. Der Oberbürgermeister könne diese nur als eine von vielen Aufgaben angehen. "Das aber reicht nicht." Kirschner wie auch die anderen Wirtschaftsvertreter benannten zur Untermauerung ihrer Forderung viele Punkte. Als absolut indiskutabel bezeichnete Kirschner die Tatsache, dass die Internetseite der Stadt zur Wirtschafts- und Stadtentwicklung vom April 2005 stammt. Frank Mohs vom Bund der Selbstständigen forderte u.a. die Senkung der Gewerbesteuerhebesätze, die er als abschreckend bezeichnete. Für unbedingt verbesserungswürdig hält der Bund auch die Vergabe öffentlicher Aufträge, die gewerkespezifisch ausgeschrieben werden sollten, damit sich auch kleine Unternehmen beteiligen können. "Die fallen nämlich jetzt raus", so Mohs. "Dessauer Unternehmen haben keine Aufträge in Dessau", weiß auch Georgia Schramm vom Verband der Unternehmerinnen. "Das demotiviert."
Warum gelingen in Coswig, Wittenberg, Bitterfeld große Ansiedlungen, in Dessau aber nicht? Das fragen nicht nur die Mitarbeiter von Hans-Werner Pohl, Unternehmer und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses. Werner Sauermilch ahnt es: "Die Arbeitsweise der konkreten Wirtschaftsförderung ist eher zufällig, sie muss eine langfristige und konzeptionelle Arbeit werden." Georgia Schramm sieht die Gründe in einem weiteren Aspekt: "Wir gehen viel zu wenig nach außen, um unsere durchaus vorhandenen positiven Bedingungen bekannt zu machen."
Die Wirtschaft habe auch in der Bevölkerung kein Gewicht, beschrieb Manfred Bär, FDP-Stadtrat und Volksbank-Vorstand, seine Beobachtungen. "Wir denken kulturell und sozial, aber nicht wirtschaftlich." Das Interesse sei schon da, fand Rolf Rätzer, "aber es ist zu wenig bekannt, was wirtschaftlich in der Stadt passiert." Dies zu ändern, auch das sei eine wichtige Aufgabe des Wirtschaftsdezernenten. "Und der muss ein Experte sein und unabhängig von politischen Befindlichkeiten ausgewählt werden", mahnte Frank Mohs eindringlich.
Während die klaren Worte bei den Ausschussmitgliedern auf Zustimmung stießen, hörten dies die Verwaltungsmitarbeiter und OB Koschig offensichtlich nicht so gern. "Es kommt ein sehr negativer Touch 'rüber", fand die Leiterin des Amtes für Wirtschaftsförderung, Beata Kirchner. "Es ist ja nicht so, dass hier nichts passiert."
Was denn von einem Wirtschaftsdezernenten erwartet werde, gab sie die zuvor von OB Koschig gestellte Frage weiter. "Er muss die Sprache der Wirtschaft verstehen, nicht die der Verwaltung, denn die weiß zu oft nur, wie es nicht geht", antwortete Jochen Mau vom Roßlauer Wirtschaftskreis. Die Aufgaben konkret zu formulieren, sei doch wohl Aufgabe des Amtes, fand Rolf Rätzer. "Wir arbeiten gern zu." Hans-Werner Pohl lobte die Aussprache. "Jetzt müssen von der Politik die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen werden."