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Konzert Konzert: Romantik rückwärts zum klassischen Kronjuwel

Von Melchior Frank 08.07.2002, 15:30

Dessau/MZ. - Das Ambiente von Schloss Mosigkau, ein Publikum, das letzten Freitag die Stuhlreihen im Gartensaal nahezu vollständig besetzte - mussten nur noch die Ausführenden die Erwartungen an einen erlesenen Kammermusikabend erfüllen.

Das taten Annette Rehberger (Violine) und Stephan Hohlweg (Klavier) denn auch, wenngleich die Dramaturgie ihres Programms zumindest den Beginn mit einer nicht leicht zu nehmenden Hürde versah. Denn die Gäste hatten drei reife Meisterstücke auserkoren, die sie - wie sich zeigen sollte, aus gutem Grund - entgegen gängiger Gewohnheit in umgekehrt chronologischer Reihenfolge, die Entstehungszeit betreffend, spielten.

So war die dritte Violinsonate von Johannes Brahms in d-Moll, 1888 uraufgeführt, der Auftakt. Brahms war damals Mitte fünfzig, was nicht heißt, dass er sich keinen jugendlichen Elan bewahrte, doch findet sich dieser kaum im grüblerischen Kopfsatz, dessen Stimmung sofort zu treffen schwieriger als die technische Ausführung sein dürfte. Die Musiker taten das einzig Richtige, bewahrten den verhaltenen Gestus und lockerten erst nach dem innigen Adagio die Zügel des Temperaments. Was dem eleganten Scherzo im späten Brahms-Typus und dem überschwänglichen Finale bestens bekam.

Dennoch war hier wie im folgenden Opus 105 (a-Moll, entstanden 1851) Robert Schumanns der unbedingte Wille der Ausführenden zum weiten wie weichen Melodiebogen hörbar: Kein schmerzender Akzent, kein zu hartes Fortepiano teilte die Phrasen, Resultat einer höchst kultivierten Bogenbehandlung der Geigerin wie der Disziplin des Pianisten, der sich auch in vollgriffigen Passagen nie zu ultimativer Fulminanz verleiten ließ.

Den Grund für dieses Maß an selbst auferlegter Askese vor der Pause nannte der zweite Teil des Abends. Mit einer glanzvollen Wiedergabe der "Kreutzer-Sonate" Ludwig van Beethovens traten die beiden jungen Künstler den Beweis an, dass man sich sehr wohl mit "Romantik rückwärts" für ein klassisches Kronjuwel unter den Violinsonaten "einspielen" kann.

Spätestens hier ist anzumerken, dass der Terminus "Violinsonate" in diesen Fällen oberflächlich ist. Schließlich zählten alle drei Komponisten - Schumann zumindest bis zu seinem verhängnisvollen Experiment mit dem Fingersehnen-Dehnapparat - zu den gefragtesten Pianisten ihrer Generation. Weshalb auf ihren Autographen denn auch bezeichnender Weise "Sonate für Klavier und Violine" steht.

Dieser Gleichwertigkeit erwies sich Stephan Hohlweg durchweg würdig, nicht nur die exzellenten Ausflüge ins Rokoko in Beethovens anspruchsvollem Variationssatz verdeutlichten seine Fingerfertigkeit wie auch seine Hingabe ans Detail. Annette Rehberger schonte in markanten Momenten Saiten und Bogenhaar nun nicht mehr wie noch zuvor, was die Kontraste der im Notentext geforderten Sforzati zu subtilen und kantablen Takten ins Grandiose steigerte.

Was spielt man nach einem derart bravourösen, von Brahms und Schumann eingeführten Beethoven als Zugabe? Mozart? Keine Chance, bei allem Respekt. Brahms'' c-Moll-Scherzo? Viel zu normal. Etwas Extravagantes musste her, und das war ein mit geigerischen Effekten nur so gespickter Blues von Maurice Ravel. Der ging noch mal tief unter die Haut als Schlusspunkt eines beeindruckenden Abends.