1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Konstrukteur bei Junkers: Konstrukteur bei Junkers in Dessau: Vor 100 Jahren begann die steile Karriere von Ernst Zindel

Konstrukteur bei Junkers Konstrukteur bei Junkers in Dessau: Vor 100 Jahren begann die steile Karriere von Ernst Zindel

Von Helmut Erfurth 11.10.2020, 12:00
Ernst Zindel (rechts im Bild ) im Gespräch mit den Diplom-Ingenieuren Baade und Schilling.
Ernst Zindel (rechts im Bild ) im Gespräch mit den Diplom-Ingenieuren Baade und Schilling. Archiv Erfurth

Dessau - Als sich der 23-jährige Diplom-Ingenieur Ernst Zindel am 14. Juli 1920 bei der Firma Junkers & Co. in Dessau als Konstrukteur für Gasapparate zur Warmwasserversorgung und Raumheizung bewarb, konnte er nicht ahnen, dass sein Name einmal eng mit der Luftfahrtgeschichte verbunden sein würde.

Der am 23. Januar 1897 in Mistelbach (Österreich) geborene Zindel studierte zwischen 1917 und 1920 an der TH Charlottenburg bei Berlin die Fachrichtung Schiffsbau-Technik.

Sein Interessensgebiet galt der Entwicklung moderner Produkte, deren innovativen Konstruktionen und ihrer sich daraus ergebenden modernen technologischen Fertigungsverfahren. Eine verfahrenstechnische Kombination, die den Automobil- und Flugzeugbau in den 1920er Jahren beeinflussen sollte.

Zindel war in seinem Aufgabengebiet unmittelbar dem Leiter der Dessauer Forschungsanstalt unterstellt

Ab 1. Oktober 1920 und damit vor 100 Jahren erhielt er eine Anstellung als Konstrukteur im Junkers-Flugzeugwerk auf Basis eines einjährigen Dienstvertrages auf Probe mit darin enthaltener Konkurrenzklausel. Zindel war in seinem Aufgabengebiet unmittelbar Dr.-Ing. Otto Mader unterstellt, dem Leiter der Dessauer Forschungsanstalt. Wiederholt erhielt Zindel direkte Aufgaben auch vom Chefkonstrukteur Otto Reuter, der 1919 innerhalb weniger Monate das weltweit erste Ganzmetall-Kabinen-Verkehrsflugzeug in freitragender Tiefdecker-Bauweise entwickelt hatte.

Solche konstruktiven Sonderaufgaben wie die Entwicklung kleiner Mehrzweck- und Versuchsflugzeuge legte Ernst Zindel korrekt und präzise zum Termin vor. Sein Engagement und besonnenes methodisches Herangehen verbunden mit einer analytischen Denkweise ließen ihn innerhalb kürzester Zeit zu einem der engsten Mitarbeiter um Prof. Hugo Junkers werden.
Ernst Zindel verstand es ausgezeichnet, bei anfallenden Problemstellungen alle dafür notwendigen Mitarbeiter direkt in die Forschungsarbeit einzubeziehen, wobei er sich selbst als „primus inter pares“ sah.

Nach dem frühen Tod Otto Reuters wurde Ernst Zindel sein Nachfolger

Diese Art von Teamwork bildete die Basis der innovativen Junkers-Arbeit. Dadurch gelang es den Junkers-Werken innerhalb einer kurzen Zeit ein völlig neuartiges Konstruktionsprinzip, den segmentierten Zellenbau, im Flugzeugbau einzuführen. Diese Bauweise ermöglichte die rationelle Fertigung von Flugzeugen, die leistungsstark waren und zugleich einen hohen Sicherheitsstandard aufwiesen.
Es gibt wohl kein Gebiet in der Aerodynamik auf dem Hugo Junkers nicht forschte oder tätig war.

Seine Grundlagenforschung und die damit verbundenen Entwicklungen bis hin zur Patentreife zu bringen und im Anschluss daran die praktische Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse zu erzielen, war Firmenphilosophie, war das Beschreiten neuer Wege, die Junkers zu einem bedeutenden Wegbereiter heutiger Luftfahrt werden ließ.

Nach dem frühen Tod Otto Reuters 1922 übertrug Prof. Junkers die Leitung aller Flugzeug-Neukonstruktionen an Ernst Zindel mit dem Schwerpunkt Entwicklung mehrmotoriger Großflugzeuge für den Verkehrs- und Frachtflug. So entstanden 1924 die dreimotorigen Flugzeugmuster der Junkers G 23/G 24 und 1926 die Junkers G 31, ein Verkehrsflugzeug, das als „fliegender Speisewagen“ europäische Luftfahrtgeschichte schrieb.

Junkers-Flugzeuge flogen Weltrekorde

Auf der Fluglinie Berlin-Paris und retour kam ab 29. April 1928 eine Junkers G 31 mit der Kennung D-1310 „Hermann Köhl“ zum Einsatz. Erstmals in der Geschichte der europäischen Luftfahrt wurde an Bord auf einer Kochplatte (28 Volt/300 Watt) ein Mittagessen zubereitet und den Passagieren serviert.
Zu den bedeutendsten Leistungen Zindels gehören 1929 der Bau der Junkers G 38, einem viermotorigen Verkehrsflugzeug, dem größten Landflugzeug seiner Zeit, dass als erster Air-Großliner Weltgeschichte schrieb.

Aber weltbekannt als einer der besten Flugzeugkonstrukteure wurde Ernst Zindel mit seiner legendären Junkers Ju 52/3m. Ein Verkehrs- und Frachtflugzeug, das wie keine andere Maschine aus den Junkers-Werken die Entwicklung der internationalen Luftfahrt der 1930er Jahre prägte. Sie flog auf allen Kontinenten und in allen Klimazonen, von den Tropen des Äquators bis hin zum nördlichsten Eismeer.

Junkers-Flugzeuge flogen Weltrekorde. Weniger bekannt ist die Junkers J 49, einem Höhen-Forschungsflugzeug mit einer druckfesten Flugkammer, das Zindel 1931 für die Erforschung der atmosphärischen Schichten bis 13.000 Meter entwickelte.

„Der Große Dessauer“ als Groß-Airliner im Flugliniendienst der Deutschen Lufthansa

Nach der gewaltsamen Vertreibung von Prof. Hugo Junkers aus seinen Werken durch die nationalsozialistische Staatsführung des Dritten Reiches im Herbst 1933 wurde Zindel zum Konstruktionsdirektor und Prokurist der Junkers-Flugzeugwerke (Staatskonzern) ernannt.

Jetzt wurden vorrangig Militärflugzeuge verlangt wie das JFM Ju 88-Programm mit zahlreichen Bombervarianten, also Rüstungsbetrieb nicht mehr Forschung für die zivile Luftfahrt. Jedoch entstand 1937 vom genialen Konstrukteur Zindel die viermotorige JFM Ju 90, ein Verkehrsflugzeug für 40 Passagiere, die unter dem Namen „Der Große Dessauer“ als Groß-Airliner im Flugliniendienst der Deutschen Lufthansa europaweit bekannt wurde.

Das Projekt für einen sechsmotorigen Transozean-Groß-Airliner EF 100 für 102 Fluggäste, konzipiert für eine Reichweite von 4.000 km ohne Zwischenlandung, wurde auch in diesen Jahren von Zindel entwickelt.

„Pionierkette der Windrose“ für Ernst Zindels außerordentlichen Verdienste in der Luftfahrt

Nach der Liquidierung der Junkers Flugzeug- und -Motorenwerke A.G. (JFM) 1945/46 durch Alliierten-Beschluss der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges arbeitete Zindel als Konstrukteur für Getriebetechnik. Bis zu seinem Ableben am 10. Oktober 1978 in Bad Homburg engagierte er sich im Ehrenamt aktiv in der Vereinigung ehemaliger Angehöriger der Junkers-Werke.

Das International Comites of Aerospace Activities (ICA) verlieh Zindel auf der Internationalen Verkehrsausstellung in München im Jahr 1965 die „Pionierkette der Windrose“ für seine außerordentlichen Verdienste in der Luftfahrt. (mz)