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Keine Zeit zum Talarwechsel Keine Zeit zum Talarwechsel: Reichlich Tempo und wenig Muße für den Pfarrer

Von Paul Spengler 28.12.2003, 15:56

Güsten/MZ. - Einer wie Achim Detmers hat in den Tagen zwischen Heiligabend und Silvester ausgesprochen wenig Zeit. Wenn für andere zwischen den Feiertagen eher eine gemütliche Phase angebrochen ist, dann kommen auf einen Pfarrer im ländlichen Bereich Belastungen zu, die von außen gar nicht so erkennbar sind.

Es gilt, eine ganze Reihe von Gottesdiensten zu koordinieren. Vier Gottesdienste an Heiligabend, dazu je zwei Veranstaltungen am ersten und am zweiten Weihnachtstag.

"Im vorigen Jahr war es das Anstrengendste, was ich bisher erlebt habe", denkt der evangelische Theologe ein Jahr zurück. Im November 2002 hatte der promovierte Kirchenhistoriker seine erste Pfarrstelle in Güsten angetreten. Zuvor war die Gemeinde - zu der auch Osmarsleben, Ilberstedt, Amesdorf-Warmsdorf und Rathmannsdorf gehören - 18 Monate lang verwaist.

An Heiligabend und Silvester gilt der gleiche Zeitablauf. Um 14 Uhr beginnt der Gottesdienst in Osmarsleben. Schon eine Stunde später steht in Amesdorf die nächste Veranstaltung auf dem Programm. Zwischen den Terminen bleibt dem Pfarrer keine Zeit, den schwarzen Talar zu wechseln.

Die Kindergruppe, die den Landpfarrer an Heiligabend begleitet, hat unter Leitung der Katechetin Ute Conrad ein Krippenspiel eingeübt. Kurz nach 15 Uhr ist in Amesdorf alles startbereit. Die ehrenamtliche Organistin Nadine Bey, die später noch nach Alsleben muss, greift bereits in die Tasten der Orgel.

Der Pfarrer ordnet kurz seinen Predigttext, bevor er das Kirchenschiff betritt. Um 16.30 Uhr wartet schon die zentrale Gottesdienstfeier in Güsten, danach bildet Ilberstedt um 18 Uhr den Abschluss für diesen Tag. Könnten nicht einige Veranstaltungen der Einfachheit halber zusammen gelegt werden? "Für die Leute ist es so, dass sie in ihre eigene Kirche gehen", schüttelt Detmers den Kopf. "Vor allem die Gottesdienste zu Weihnachten sind hoch emotional besetzt", sagt er. Wenn das alles nur noch in der Nachbargemeinde stattfinden sollte, das wäre ein Einschnitt in gewohnte Abläufe, die kaum jemand im Dorf akzeptieren würde.

Heiligabend ist ein Großkampftag für den Pfarrer. "Für mich ist es so, als ob man vier Mal hintereinander einen 40-minütigen Vortrag hält", schildert Detmers seine Art der Vorbereitung. In diesem Jahr war an Heiligabend in der evangelischen Kirche in Güsten der Männerchor dabei. Dafür werden im nächsten Jahr die Sänger, von denen manche auch kirchlich geprägt sind, wieder in der katholischen Gemeinde auftreten. Beide Gemeinden haben keinen eigenen Kirchenchor.

Ein paar Mal hat es der Pfarrer schon erlebt, dass Weihnachten in der Kirche von einzelnen Jugendlichen vor allem als "Spaßfaktor" verstanden wird. Das ist vor allem so an Heiligabend, bevor im Familienkreis die große Bescherung ansteht. "Dann muss ich schon mal sagen: macht doch bitte eure Handys aus", meint Achim Detmers. Schließlich soll ein Gottesdienst auch an Festtagen nicht mit einer Fete verwechselt werden.