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Halter besorgt Kaninchenseuche erreicht Dessau-Roßlau: Halter sind besorgt

Von Silvia Bürkmann 20.10.2016, 12:00
Nur eine vorbeugende Impfung kann die Nager schützen.
Nur eine vorbeugende Impfung kann die Nager schützen. Archiv/Höhne

Dessau-Rosslau - Die gefährliche Kaninchenseuche RHD mit der neuen Virusvariante 2 macht keinen Bogen mehr um Anhalt und Dessau-Roßlau. Sowohl in Vereinsbeständen als auch in privaten Haltungen seien Infektionen mit der aggressiven Viruserkrankung aufgetreten, darauf weisen mehrere MZ-Leser hin, als in der Vorwoche von der hiesigen Situation im Hinblick auf die im November angesagte Kreisschau in Roßlau berichtet wurde.

„Mir sind mehrere Fälle in Köthen und nun auch in den Vororten von Dessau bekannt, wo erst letzte Woche ein gesamter Bestand in zwei Tagen verendet ist“, schreibt Christa Herrmann. Die erfahrene Züchterin rät dringend von der Teilnahme an Zuchtschauen ab. Aus Erfahrung. Ging ihr doch vor etwa 20 Jahren der gesamte Bestand trotz Impfung durch einen auf einer Zuchtschau erworbenen Rammler innerhalb von drei Tagen ein.

Nur Impfung kann schützen

Für den Schutz der Tiere durch Grundimmunisierung und regelmäßige Auffrischungsimpfungen vom Tierarzt plädiert Carola Merkel vehement in ihrem Online-Kommentar. „Egal, ob Zuchttier, Nutztier oder privat, nur, wer seine Tiere vorbeugend impfen lässt, kann sie auch schützen.“

Die im Landes- und Kreisverband organisierten hiesigen Rassekaninchenzüchter bestätigen die schwierige Situation. Im Kreisverband Anhalt-Bitterfeld sind vor allem die Vereine aus dem Altkreis Köthen vertreten, im Kreisverband „Untere Mulde“ die vom Altkreis Gräfenhainichen. Beide reichen nah an das heutige Stadtgebiet Dessau-Roßlau heran und haben in ihren Reihen auch Mitglieder aus Dessau-Roßlau, wie aus Vereinen in Dessau-Alten und Roßlau.

Aus den Kreisvereinen selbst liegen den Verbandschefs nur wenig belastbare Daten vor. Steffen Lindrath vom Kreisverband Anhalt-Bitterfeld weiß bisher von keinem Fall, „bei dem, was man von Kaninchenzüchtern und -haltern so hört“.

Erste Kaninchenschauen abgesagt

Carsten Jäger vom Verein Untere Mulde indes hat mit Gräfenhainichen ein Sorgenkind, wo Typ 2 der Chinaseuche massiv in die Zuchtbestände eingeschlagen und „drei betroffene Züchter alle Tiere verloren haben“. Im Vergleich zu den Epidemien im Süden Sachsen-Anhalts und im Grenzgebiet zu Sachsen aber seien das in Anhalt noch traurige Einzelfälle und dort im Süden ein Flächenbrand.

Dessen verheerende Wirkungen allerdings bekommen auch die hiesigen Kaninchenzüchter zu spüren. Vorbeugend werden traditionelle November-Zuchtschauen abgesagt. So auch die in Pouch für die Untere Mulde. „Damit unsere Vereinsmitglieder überhaupt noch ausstellen können, soll es eine kleinere Kreisschau in Gräfenhainichen geben.“ Doch dort, wo sich erfahrungsgemäß immer knapp 400 Tiere als große Brocken oder üppige Braten in den Käfigen präsentierten, liegen bisher lediglich 212 Anmeldungen vor.

Hohe Dunkelziffer bei erkrankten Tieren

Streng gehen da die 22 Roßlauer Kaninchenzüchter von G 325 vor und haben für ihre Präsentation am 12. und 13. November die Impfpflicht durchgesetzt. „Ohne registrierten Impfnachweis kommt kein Kaninchen in die Ausstellung“, betont Zuchtwart Günter Engel. Die Anmeldung für die Schau im Elbewerk läuft am Sonntag, 23. Oktober, von 10 bis 11 Uhr in der Bandhauerstraße 59. Die Roßlauer Vereinsmitglieder hätten in ihren Beständen noch keinen Seuchenfall. „Toi, toi, toi, wir haben zeitig impfen lassen“, ist Engel froh.

Gesicherte Fallzahlen, wie viele Halter und Züchter von der so genannten Chinaseuche (1984 in China erstmals beschrieben) 2016 nun betroffen sind, gibt es nicht. Die Erkrankung ist nicht meldepflichtig, die Dunkelziffer immens.

Infektionen in diesem Jahr „rasant gehäuft“

In das Krankheitsmonitoring der IDT Biologika fließen nur die von den Landes- und Kreisveterinärämtern nach Tests gesicherten Fälle ein. „Das waren in den Vorjahren Einzelfälle“, so Melanie Leibold, für die Tiergesundheit am Kleintieren zuständige IDT-Wissenschaftlerin und Mitarbeiterin. 2016 sind in das Monitoring landesweit 100 bestätigte Fälle aufgenommen worden. Je kälter jetzt der Herbst werde, umso eher sei der Krankheitshöhepunkt überschritten, hofft die Expertin Tiergesundheit. „Es kann aber noch zu Neuerkrankungen kommen, wie vor zwei Jahren, als es Weihnachten noch Meldungen gab.“

In Europa trat 2010 in Frankreich erstmals die modifizierte Variante 2 der klassischen Kaninchenseuche RHD auf, die ab 2013 auch Deutschland heimsucht. „Bis 2015 aber gab es nur Meldungen von Einzelfällen, in diesem Jahr hat sich die von Stechmücken übertragene Infektion rasant gehäuft“, so Leibold.

Die Seuche ist nicht behandelbar

Der von IDT bereitgestellte klassische Einzelimpfstoff wurde präventiv auch für die zweite Virusvariante empfohlen und verabreicht. Allerdings in höherer Dosis - mit einer Zweifach-Impfung zur Grundimmunisierung. Der Mehrbedarf führte zeitweise zu Lieferengpässen an die Tierarztpraxen.

Inzwischen ist der IDT-Impfstoff wieder ausreichend verfügbar. Die Chinaseuche RHD ist nicht behandelbar, umso intensiver suchen die Forscher nach einem Impfstoff für die zweite Virusvariante. IDT ist an der Weiterentwicklung dran. „Bis zu einer Neuzulassung aber dauert es im Durchschnitt sechs bis acht Jahre“, sagte Leibold. (mz)