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Junkers J1 wird nachgebaut Junkers J1 im Technikmuseum Dessau: Rückkehr einer Luftfahrt-Legende

Von Thomas Steinberg 11.11.2018, 11:00
Sie gehören zur Crew, die die J1 wieder zum Leben erwecken will: Lothar Höppner, Wolfram Peschetz, Erhard Chory, Peter Schenke, Albrecht Höhne, Wilfried Mühlisch (v.l.n.r). Der erste Flügel ist fast geschafft.
Sie gehören zur Crew, die die J1 wieder zum Leben erwecken will: Lothar Höppner, Wolfram Peschetz, Erhard Chory, Peter Schenke, Albrecht Höhne, Wilfried Mühlisch (v.l.n.r). Der erste Flügel ist fast geschafft. Andreas Stedtler

Dessau-Roßlau - Die Sicherheit hatte absoluten Vorrang bei diesem Flug. Der Testpilot ließ deshalb vor dem Start auf dem Flugplatz Döberitz zwei Griffe am Boden des Cockpits verschrauben – um sich festhalten zu können, falls die Junkers J 1 sich bei der Landung überschlagen sollte. „Sonst“, so notierte er später, „hätte das unweigerlich das Genick gekostet.“

1915 musste den meisten Fliegern eine Maschine wie die J 1 als Provokation erschienen sein oder das Werk eines wahnsinnigen Professors und eines halbirren Doktors. Flugzeuge hatten damals leicht zu sein, bestanden aus mit Stoff bespannten und mit Klavierdraht verspannten filigranen Gestellen. Um die 400, 500 Kilo wog so eine Maschine. Nur so etwas konnte fliegen.

Und nun das: Ein Flugzeug ganz aus Metall, fast eine Tonne schwer. Entwickelt in Dessau von Prof. Hugo Junkers und seinem Chefkonstrukteur Dr. Otto Mader. Das erste Flugzeug der beiden überhaupt.

„Jetzt“, sagt Wolfram Peschetz, als er die Zangen des Punktschweißgerätes korrekt ausgerichtet hat. Albrecht Höhne löst aus, es brummt vier Mal kurz. Der nächste Schweißpunkt ist gesetzt. Die beiden gehören zu einem Team von rund zwei Dutzend Männern, die im Dessauer Technikmuseum eine J 1 nachbauen.

Flugfähig wird die Replik nicht sein. Aber zeigen, wie der Badeofen-Produzent Junkers die Fliegerei revolutionierte – weil er und seine Leute etwas von Metallbearbeitung verstanden. Und dieses Knowhow war unabdingbar, um den von Junkers ersonnen „dicken Flügel“ zu konstruieren.

Peter Schenke leitet das Projekt J 1, ist 80 Jahre alt und könnte gut und gern als fitter 70-Jähriger durchgehen. Er deutet auf ein großes Foto und drei Zeichnungen: „Unsere Basis, die J 1 zu rekonstruieren.“ Das einzig je gebaute Exemplar der J 1 war nach wenigen Flügen ins Museum München gekommen und wurde während des Krieges zerstört.

Aus dem dürftigen Material die Form und Maße des Flugzeugs herzuleiten, oblag Volker Hillert. Für den pensionierten Vermessungsingenieur ist es Routine, „altes Papierzeug in die EDV“ zu bringen.

Junkers J1 wird in Dessau nachgebaut: Die Flügel waren etwas besonderes

Dennoch blieben sehr spezielle Herausforderungen, etwa die Linienführung der Flügel. Die waren mehr noch als das Blechkleid die eigentliche Sensation, die eigentliche Innovation der J 1. Tragflächen waren bis dahin dünn. Junkers hingegen entwarf den „dicken Flügel“, der nicht nur die tragenden Strukturen aufnehmen sollte, sondern ebenso Motoren, Treibstoff, vielleicht Passagiere.

Der höhere Luftwiderstand wurde mehr als wettgemacht durch einen höheren Auftrieb. Das Prinzip, angepasst, weiterentwickelt und von Ausnahmen abgesehen, wurde zum Standard in der Fliegerei.

Worüber es keine Aufzeichnungen gibt: Wie sah es unter der Haut der J 1 aus? Erhard Chory, einst Elektroingenieur, entwarf das Gerüst. „Wir haben beim Entwurf von außen nach innen gearbeitet. Und wir mussten die Konstruktion an unsere Maschinen anpassen.“

Die waren zum Teil aus früheren Projekten vorhanden: dem Nachbau einer Junkers F 13 und der Rekonstruktion einer originalen Ju 52. Diese „Tante Ju“ ist das Prunkstück des Technikmuseums, das vor allem dem Luftfahrpionier Hugo Junkers gewidmet ist.

Der hatte den größten Teil seines Arbeitslebens in Dessau verbracht und hier unter anderem seine Flugzeugwerke aufgebaut. Nach seiner Enteignung 1933 und der Verbannung aus der Stadt, machten sich die Nazis an den radikalen Umbau der Werke.

In den Folgejahren sollten sie zu einer der größten Rüstungsschmieden Deutschlands werden. Die F 13 und die Ju 52 sind selbst von Laien sofort als Junkers-Flugzeuge auszumachen wegen ihres typischen Alu-Wellblech-Kleides. Das wurde genietet.

1915, als die J 1 gebaut wurde, war Aluminium noch rar. In Deutschland ging der größte Teil an die Zeppelin-Werft. Junkers führte Verhandlungen - ergebnislos. Also wich er auf Stahlblech aus, und das wurde verschweißt.

„Wir mussten deshalb Schweißgeräte anschaffen“, sagt Gerd Fucke, Chef des Fördervereins. Auf rund 50.000 Euro beziffert er die Kosten für den J-1-Nachbau. „Ausfinanziert sind wir noch nicht.“ Obwohl eine Kickstarter-Kampagne über 40.000 Euro eingebracht hat – von der nach Abzug aller Kosten nicht einmal die Hälfte übrig blieb.

Das Projekt ist indes ambitioniert und prestigeträchtig genug, um Firmen für die Unterstützung zu gewinnen. Die Helling, auf der die Tragflächen montiert werden, stammt etwa vom lokalen Schaltschrankbau. Das Dosenblech lieferte Thyssen-Krupp.

Ob Fucke, immerhin altgedienter Passagierpilot, sich 1915 in die J 1 gesetzt hätte? „Klar“, behautpet er. Ganz sicher? Die meisten Piloten auf dem Militärflugplatz Döberitz jedenfalls winkten am 12. Dezember 1915 dankend ab.

Ein Leutnant namens Friedrich von Mallinckrodt brachte die Maschine schließlich in die Luft. Der Flug dauerte nur kurz, die Maschine stieg auf lediglich 10, 15 Meter, dann setzte der Pilot zur Landung an. Die geriet etwas rumpelig und die J 1 wurde beschädigt. Aber sie war geflogen, obwohl Junkers so gut wie alle damals geltenden Regeln des Flugzeugbaus ignoriert hatte.

Zwei Mal pro Woche treffen sich die Senioren im Junkers-Museum, um an der J 1 zu arbeiten. Fucke nennt sie liebevoll Verrückte, weil sie selbst dann am Flugzeug werkeln, wenn im Winter Eiseskälte in der Halle herrscht.

Wann die Replik fertig sein wird, darüber will dennoch niemand spekulieren. Bei der F 13 habe man versprochen, noch vor der Eröffnung des BER fertig zu werden. „Dieses Mal“, sagt einer der Männer und feixt, „sieht es so aus, als seien die schneller.“ (mz)

Die Junkers J 1
Die Junkers J 1
Stadtarchiv Dessau