Schau huldigt dem Zucker In der Orangerie des Georgiums dreht sich alles um die Verarbeitung von Zuckerrüben in Anhalt
Es geht um süße Bonbons und um unrühmliche Zeiten der Raffinerie in Dessau.

Dessau/MZ - Wohl kaum jemand käme auf die Idee, ein Stückchen der braun-schwarzen Pyramide, die derzeit in der Orangerie des Georgiums ausgestellt wird, in seinen Tee zu werfen. Doch so unappetitlich der rund zehn Zentimeter hohe Klotz auch aussehen mag - es ist Zucker. Gesundheitlich unbedenklich, aber noch nicht raffiniert und daher nicht weiß.
Raffiniert ist hingegen die neue Ausstellung, die das Dessauer Stadtarchiv zusammen mit dem Museum für Stadtgeschichte in den Räumen der Orangerie aufgebaut hat. Anlässlich des 150. Jahrestages der Gründung von Dessaus Zucker-Raffinerie heißt es seit Sonntag und bis zum 31. Januar kommenden Jahres „Zucker aus Rüben - Ein ,Kraftstoff’ der Moderne“. Erwachsene zahlen 4,50 Euro, Ermäßigte 3,50 Euro Eintritt und können dafür entdecken, wie der Zucker von der Rübe in den Tee oder die Torte kommt. Vor allem aber, wie viel Arbeit es früher gemacht hat, ein paar Gramm der weißen Kristalle, die zunächst Luxusgut waren, herzustellen.
„Eigentlich war die Ausstellung für den Johannbau konzipiert gewesen“
Die allerersten Zuckerrüben-Bauern mussten mit Handwerkzeugen die Blätter der Rüben abschneiden und sie dann kraftaufwendig aus dem Acker hebeln - ohne sie zu beschädigen. Im fruchtbaren Schwarzboden, der sich von Zeitz bis in die Magdeburger Börde und damit auch weite Teile Anhalts zieht, war das eine schweißtreibende Aufgabe. So dauerte es nicht lange, bis die Landwirte von Pferden und später Traktoren gezogene Werkzeuge erfanden, die die Arbeit erleichterten. Auch sie sind in der Orangerie ausgestellt - auf etwas beengtem Raum, wie Frank Kreißler vom Stadtarchiv bei der Vorstellung der Schau sagte.

„Eigentlich war die Ausstellung für den Johannbau konzipiert gewesen, aber dort hängen die Gemälde, die wegen der klimatischen Bedingungen noch nicht ins Georgium zurück können. Daher haben wir Asyl in der Orangerie bekommen.“ Man habe noch viel mehr Gegenstände ausstellen können, wenn es mehr Platz gegeben hätte. Trotzdem sei man glücklich, nicht nur die Geschichte der Dessauer Zucker-Raffinerie erzählen zu können, sondern auch, welche gesellschaftlichen Veränderungen sich anhand des Zuckers ergaben.
Auch wissenschaftliche Hintergründe werden in der Ausstellung erklärt
So sind auch Baupläne von Arbeiterkasernen und Fabrikantenvillen sowie Zuckerdosen von einfachen Bürgern und die der Fürstin Louise ausgestellt. Auch wissenschaftliche Hintergründe werden in der Ausstellung erklärt.

Etwa, dass die meisten der Dutzenden Zuckerfabriken, die es ab den 1830er Jahren in Anhalt gab, nur den schwarzen Rohzucker aus Rübenschnitzeln herstellen konnten. Dabei fiel viel Melasse an, eine klebrige und immer noch zuckerhaltige Flüssigkeit, aus der man den Restzucker herausholen wollte. Die 1871 eröffnete Dessauer Zuckerraffinerie tat genau das mit Hilfe eines Chemischen Verfahrens - und machte so gleichzeitig den Weg frei für den unrühmlichsten Teil der Geschichte der Zuckerverarbeitung in Anhalt.
Nach 1945 konnte die Zuckerherstellung in Dessau nicht wieder richtig Fuß fassen
Denn im 20. Jahrhundert hatte man herausgefunden, dass bei der Verarbeitung von Melasse auch giftige Blausäure entstand. Ab 1925 wurde das flüchtige, gasförmige Gift, in Dosen verpackt, zunächst als Mäuse-Bekämpfungsmittel verkauft. Die Nazis missbrauchten „Zyklon B“ später für die Vergasung von Millionen Menschen in den Konzentrationslagern. Lieferscheine, die in der Ausstellung gezeigt werden, belegen, dass auch aus Dessau Dosen voller Gift nach Auschwitz geschickt wurden.

Nach 1945 konnte die Zuckerherstellung in Dessau nicht wieder richtig Fuß fassen. 1947 wurde sie eingestellt. Aber das Gärungschemie-Werk als größter Alkoholproduzent der DDR und Lieferant Chemischer Rohstoffe trat die Nachfolge der Raffinerie an.