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B wie Bauchschmerzen Im Stadtrat kommen Zweifel an Plänen für den ehemaligen Kristallpalast in Dessau auf

Zwar machte Dessau-Roßlaus Stadtrat den B-Plan für eine Entwicklung des Areals zur Seniorenresidenz frei, doch einige Zweifel bleiben.

Von Oliver Müller-Lorey und Danny Gitter 28.04.2021, 09:31
Von oben ist der schlechte Bauzustand hinter der historischen Fassade gut zu erkennen.
Von oben ist der schlechte Bauzustand hinter der historischen Fassade gut zu erkennen. (Foto: Thomas Ruttke)

Dessau - Das „B“ in „B-Plan“ steht für „Bebauung“. In der Diskussion um die Zukunft des Kristallpalastes, in der der Stadtrat gerade erst über den entsprechenden B-Plan entschieden hat, scheint der Buchstabe jedoch mehr und mehr ein anderes Wort abzukürzen: Bauchschmerzen.

Die hatten einige Stadträte, als sie am Mittwoch über besagten B-Plan für den Kristallpalast entscheiden mussten. Die „Kristallpalast Dessau GmbH“, eine Tochter der „hp&p-Gruppe“ mit Sitz im hessischen Gießen, will aus dem inzwischen verfallenen Gebäude ein Wohn- und Geschäftshaus mit Fokus auf Senioren entwickeln. Sieben Geschosse soll es hoch werden - nicht der einzige Kritikpunkt mancher Stadträte.

Überraschende Kritik für Baudezernentin Christiane Schlonski

Hendrik Weber (Bunte Fraktion) sprach von einem „Wohnsilo für Senioren“ und erinnerte daran, dass an dem Projekt Kristallpalast schon mehrere Investoren gescheitert seien und zog eine Verbindung zwischen den früheren und dem jetzigen Projekt. „Ich bitte Sie, den Weg nicht mitzugehen“, bat er seine Stadtratskollegen.

Baudezernentin Christiane Schlonski reagierte überrascht und sagte, man habe mit dem jetzigen Investor überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil: „Es gibt kein negatives Beispiel in Deutschland, wo er gescheitert ist“, sagte sie. Ein Negativbeispiel sei der letzte Investor gewesen.

Tatsächlich spielt der alte, von Weber kritisierte Geschäftsmann inzwischen für den Kristallpalast keine Rolle mehr. Wie hp&p auf MZ-Anfrage sagte, habe der Mann den Kristallpalast schon vor Jahren an hp&p verkauft und mit dem Projekt nichts mehr zu tun.

„Die wenigsten wissen, dass es eine Seniorenresidenz wird“

Weber ist dennoch nicht überzeugt. „Die Leute stellen sich etwas ganz Anderes vor, wenn sie hören, mit dem Kristallpalast geht es vorwärts. Die denken, dort kommt wieder, wie früher, der Tanzschuppen rein“, sagte er. „Aber die wenigsten wissen, dass es eine Seniorenresidenz wird. Bei all den Heimen, die derzeit in Dessau gebaut werden, bezweifle ich, dass sich das Projekt lohnt und kostendeckend betrieben werden kann.“

Besser sei eine öffentliche Nutzung als Kulturverbundeinrichtung. Dafür müsste die Stadt das Gelände aber kaufen. 800.000 Euro stehen im Raum. Für Weber, der auch Finanzausschussvorsitzender ist, gut angelegtes Geld. „Was jucken mich denn diese 800.000 Euro? In der derzeitigen Haushaltslage könnten wir bei Investitionen doch wieder zuschlagen“, sagte er der MZ. Am Mittwoch stimmte er, wie mehrere andere Stadträte auch, gegen den B-Plan. Eine Mehrheit jedoch votierte für das Vorhaben, das damit die nächste Hürde nahm.

Oberbürgermeister Peter Kuras sprach sich für den Entwurf und den Investor aus

Einer der Befürworter ist Ralf Schönemann von den Linken. „Ich finde nicht, dass das Gebäude ein Klotz ist. Der Beschluss lässt gestalterische Spielräume zu - und endlich wird ein städtebaulicher Missstand beseitigt“, sagte er noch im Stadtrat.

Auch Oberbürgermeister Peter Kuras, für den der Kristallpalast in seiner bald endenden Amtszeit eine Herzensangelegenheit war, sprach sich für den Entwurf und den Investor aus. „Der Betreiber hat mir eine Liste vorgelegt und da hatte ich kein schlechtes Gefühl.“ Ein schlechtes Gefühl habe er stattdessen, wenn er sehe, wie lange die ganze Diskussion schon dauere. „Es gibt keinen B-Plan, der schon so viele Gutachten nach sich gezogen hat. Kein Fleckchen in der Stadt ist mit mehr Akribie untersucht worden“, so Kuras.

Wie schwer es das Projekt aber hat, war zuvor im Stadtbezirksbeirat innerstädtisch Nord deutlich geworden. Ingolf Schmidt vom Stadtplanungsamt konnte die Skepsis nachvollziehen. Nach jahrelangem Leerstand war 2009 ein Investor auf den Plan getreten, der das verfallene Areal mit einer Stadthalle und als Kongresszentrum ertüchtigen wollte. Die Pläne verliefen im Sande.

Die historische Fassade wird erhalten und in den Gebäudekomplex integriert

Jetzt tritt mit der „Kristallpalast“ Dessau GmbH, eine neue Grundstückseigentümern auf den Plan. Sie hat seit Mitte der 1970er Jahre bundesweit über 70 Seniorenresidenzen realisiert. „Die Referenzen lassen kaum Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Trägers zu, seine Vorhaben auch tatsächlich zu realisieren“, so Schmidt. Im Erdgeschoss sind Laden- und Gastronomieflächen geplant.

Die historische Fassade wird erhalten und in den Gebäudekomplex integriert. Knackpunkte für die Mitglieder des Stadtbezirksbeirates waren unter anderem die Stellplatz-Kapazitäten, der Konflikt mit dem Fußgängerverkehr an der zentralen Ein- und Ausfahrt und eine mögliche Dominanz des Gebäudekomplexes im Umfeld.

„Es besteht hier die große Chance, einen jahrzehntelangen städtebaulichen Missstand in der Innenstadt zu beseitigen“

Doch hier konnte Schmidt Bedenken nehmen. So soll es ausreichend Stellflächen im Innenhof, im Erdgeschoss und im benachbarten Parkhaus in der Teichstraße geben. Die zentrale Zufahrt soll zu einem verkehrsberuhigten Bereich umgestaltet werden. Der Neubau wird sich laut Schmidt auch in die Umgebung einfügen. Eine direkte Sicht auf den Gebäudekomplex gebe es nur von wenigen Punkten in der Umgebung.

„Es besteht hier die große Chance, einen jahrzehntelangen städtebaulichen Missstand in der Innenstadt zu beseitigen“, so Schmidt. Mit vier Zustimmungen und einer Ablehnung ließen sich die Stadtbezirksbeiratsmitglieder von den Argumenten leiten. Nach einer öffentlichen Auslegung der Planungen könnte laut Schmidt in der zweiten Jahreshälfte das Baurecht erteilt werden. (mz)