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Hochwasser Hochwasser: Schwestern fanden Hilfe

Von Heidi Jürgens 23.08.2002, 17:25

Aken/Zehbitz/MZ. - "Nein , wirklich", die 66-jährige Maria Golisch kann es noch gar nicht so richtig fassen, "was uns in den vergangenen Tagen an Hilfe und Unterstützung zuteil geworden ist, das ist fast unbeschreiblich." Mit ihrer Zwillingsschwester Magdalena und der 70-jährigen Schwester Angelika bewohnt sie ein kleines Haus am Burglehn in Aken. Dort, am Ortsausgang in Richtung Obselau/Kühren, war wie in der gesamten Gegend die Furcht vor dem Hochwasser groß.

Die Schreckensbilder aus den Ortschaften elbaufwärts hatten auch die drei Schwestern in Angst und Schrecken versetzt. Kommt das Wasser oder kommt es nicht war der alles beherrschende Gedanke. Als sich zum Wochenende hin die Lage zuspitzte, begannen sie, Möbel und Hausrat so gut es ihnen möglich war zu sichern. Sachen aus dem Keller nach oben zu bringen, Schränke im Erdgeschoss auszuräumen, vieles in den ersten Stock zu transportieren. Lebensmittel wurden in große Plastewannen gepackt, Teppiche zusammengerollt und alles soweit es ging treppauf geschleppt.

Wie viele ihrer Nachbarn packten sie das Nötigste zusammen, um auf eine drohende Evakuierung vorbereitet zu sein. Die drei Schwestern, die keinen Mann im Haus und auch keine Kinder haben, hatten sich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, in diesem Fall den Bus zu besteigen und in einer der vorbereiteten Notunterkünfte vorläufig bleiben zu müssen.

Doch dann am Freitag ein Anruf aus Zehbitz: Familie Engel meldete sich und bot Unterkunft an. "Wir waren völlig überrascht", sagt Maria Golisch, "denn wir sind weder verwandt noch näher bekannt miteinander. Unsere Eltern und die der Familie Engel mussten zum Kriegsende die gemeinsame Heimat etwa 70 Kilometer östlich von Frankfurt/Oder verlassen. Engels siedelten sich in Zehbitz an, unsere Familie in Aken."

Zwar habe es immer mal Kontakte gegeben, aber besucht habe man sich eigentlich nie. Längst leben die Eltern nicht mehr und die Kinder sind über die Jahrzehnte keine gemeinsamen Wege mehr gegangen. "Jetzt aber, wo wir in Not sind und auch jetzt noch nicht wissen, ob alles auch wirklich gut ausgeht, da sind Engels für uns Engel. Sie haben uns am Sonnabend hier abgeholt und in ihrem Haus aufgenommen.

Doch so groß die Freude darüber ist, dass bisher in Aken nichts passiert ist und die Deiche halten - die Schwestern wollen wissen, wie es um ihr Haus steht, ob Wasser in den Keller eingedrungen ist und ob sie bald zurückkehren können. "Ich habe am Mittwoch bei der Kreisverwaltung angerufen, um zu erfahren, ob wir bald beruhigt nach Hause zurückkehren können. Doch da hat man mir gesagt, die Gefahr ist noch nicht vorbei und wir sollten noch warten. Aber wir wollten doch wenigstens mal nach unserem Haus sehen. Das ist allerdings nicht so einfach, denn wir haben ja kein Auto, und es ist eine ziemliche Entfernung für uns."

In diesem Moment hätten sie die zweite große Freude erlebt: "Die nette Dame sagte, sie würde sehen, was sich machen lässt. Wenig später rief sie an und kündigte an, wir würden am Donnerstag um 10 Uhr abgeholt, hingefahren und auch wieder zurück."

So konnten die Schwestern tatsächlich eine Fahrt nach Aken unternehmen. Und zwar nicht in irgendeinem, sondern in einem besonderen Fahrzeug: dem des Landrates, dessen Fahrer die Damen nach Aken brachte. Dort konnten sie sich überzeugen, dass ihrem Haus bisher kein Unheil geschehen ist. Die Sandsäcke, die sie gefüllt und als Schutz aufgeschichtet hatten, liegen noch trocken an ihren Stellen. Im Haus ist es "heiß wie in der Sauna", deshalb werden erstmal alle Fenster geöffnet.

Nachbarin Hanna Gassmann kommt und fragt, wie es den Schwestern geht und ob sie bald zurück kommen. "Wir wollen schon, möglichst zum Wochenende, wenn dann hoffentlich die Gefahr vorüber ist." Hanna Gassmann, die lediglich eine Nacht ihr Zuhause verlassen hat und mit dem Hund Aufnahme bei der Enkelin in Köthen gefunden hat, hofft ebenfalls, dass man noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen ist.