Hochwasser in Dessau Hochwasser in Dessau: Dessau blieb von Mulde-Welle verschont

Dessau-Rosslau/MZ - Wohin das Wasser verschwunden ist? Martin Müller, Einsatzleiter aus dem Katastrophenstab, zuckt kurz mit den Schultern. „Des einen Pech, ist des anderen Glück. Das ist einfach so.“ 2002 schon kam Dessau um das Schlimmste herum, weil vor der Stadt die Deiche brachen. An der Mulde wie an der Elbe. 2013 scheint die Stadt an der Mündung der beiden Flüsse erneut im Glück.
Der Pegel der Mulde bei Dessau war bis 22 Uhr auf 6,37 Meter gestiegen Zwölf Zentimeter über dem Höchstwert von 2002. Doch der Scheitelpunkt der Flut, der für 3 oder 4 Uhr angekündigt war, traf nicht ein. Nach Mitternacht begann der Pegel stetig zu sinken und kratzte am Mittwochabend schon wieder die Sechs-Meter-Marke. Weil im nördlichen Sachsen und nahe Bitterfeld die Deiche eben nicht hielten (Karte).
Evakuierung ist aufgehoben
„Wir haben die Lage an der Mulde im Griff“, sagte Müller. Gegen Mittag wurde deshalb am Mittwoch die Evakuierung von Kleutsch und Sollnitz aufgehoben. Die Einwohner durften in ihre Häuser zurück. Weiter gesperrt bleibt die Friedensbrücke. Wie lange, dazu konnte Müller keine Angaben machen. „Wenn der Wasserstand es zulässt, werden Statiker und Gutachter überprüfen, welche Schäden die Wassermassen hinterlassen haben.“ Erst danach könne man verlässliche Angaben machen.
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Die Entlastung an der Mulde macht aber nicht leichtsinnig. Die Deiche werden weiter im Zwei-Stunden-Rhythmus auf gefährliche Sickerstellen überprüft. Vor allem in der Wasserstadt und in Törten waren schon zusätzliche sichernde Maßnahmen notwendig. Zudem hat das Hochwasser andere Effekte: Fast überall in der Stadt steigt das Grundwasser, sind die Grabensysteme vollgelaufen. An einigen Stellen hat die Feuerwehr angefangen zu pumpen.
Etwa 700 000 Sandsäcke sind in Dessau-Roßlau bislang verbaut. Weitere 200 000 liegen für Notfälle auf dem Flugplatz bereit. „Wir können sofort reagieren“, sagte Müller. In Roßlau war das am Mittwoch mehrfach nötig. Der Ort hat inzwischen eine eigene technische Einsatzleitung. Die Elbe rückt nun aber immer mehr in den Blickpunkt.
Für die Elbe wurde am Mittwoch 12.45 Uhr die Alarmstufe IV ausgelöst. Zentimeter um Zentimeter näherte sich der Fluss jenen 7,16 Meter, die im August 2002 fast für eine Katastrophe gesorgt hatten. Für das Wochenende wird nun ein Höchststand von 7,60 bis 7,65 Meter erwartet. Deutlich weniger als anfangs befürchtet. Es ist eine Parallele zur Mulde.
„Dieser Wasserstand ist von der Höhe her unproblematisch“, sagt Müller. Die Deiche an der Elbe sind neu gebaut und erneuert. Die einzige Schwachstelle auf dem Dessauer Gebiet - die Hubitzkellerschleuse bei Großkühnau - wurde in der Nacht zum Mittwoch aufwendig gesichert. Das Signal, das Müller sendet, ist klar: Die Deiche sind für einen Pegel über acht Meter ausgelegt. Dessau-Roßlau ist gewappnet.
Dank der Einsatzkräfte. Dank vieler Helfer, deren Engagement manchmal sogar gestoppt werden muss. Am Dienstag zum Beispiel in der Ludwigshafener Straße, wo es vier Senken aufzufüllen galt. „Hätten wir die Leute nicht gestoppt, die hätten den Deich bis Bitterfeld weiter gebaut“, musste Einsatzleiter Müller schmunzeln. Das Stoppen führte aber sofort zu dem Gerücht, die Feuerwehr hätte die Ludwigshafener Straße aufgegeben. Eine Stunde später waren Freiwillige dabei, den Deich zu verlängern.
Gerüchte erschweren Arbeit
Die Gerüchte im Internet sind es, die dem Katastrophenstab die Arbeit erschweren. „Es wird viel von unvernünftigen Menschen in die Welt gesetzt“, haderte Oberbürgermeister Klemens Koschig - und kritisierte zugleich Einrichtungen wie das Dessauer Finanzamt und die Hochschule Anhalt, die ihren Betrieb eingestellt haben. Ohne Rücksprache mit dem Katastrophenschutzstab genommen zu haben. Die Nachrichten haben in Dessau-Roßlau selbst nicht eben für Beruhigung gesorgt. Zum Unmut von Koschig: „Das Finanzamt liegt über vier Meter höher als der Leopoldshafen und über 2,5 Kilometer weg. Da müsste eine Monsterwelle komme, damit dort etwas passiert.“ Die aber ist nicht in Sicht.
„Man soll nie nie sagen“, gab Koschig zu und räumte trotzdem ein, dass das „mulmige Grundgefühl“ langsam schwindet. „Wir konzentrieren uns jetzt auf die Verteidigung des Elbe-Hochwassers.“