Historie Historie: Neues Buch über das Schicksal des Franz von Waldersee

Dessau - Es klingt nach einer Mammutaufgabe. Es war ein Puzzlespiel, ohne auch nur ansatzweise alle Teile zu kennen. Hunderte Briefe, Schriften, Tagebücher, verstreut über die Archive der halben Republik von Weimar bis Holstein. Die Kontakte Franz von Waldersees waren zeitlebens sehr zahlreich.
Dreieinhalb Jahre Forschung liegen hinter Anna-Franziska von Schweinitz. Es war eine Zeit intensiver Recherchen im Nachlass des ältesten unehelichen Sohnes von Fürst Franz. Vor wenigen Wochen nun hat die Datenhistorikerin das Ergebnis ihrer Arbeit vorgelegt. „Waldersee und Vater Franz“ lautet der Titel ihres pünktlich zum 200. Todestag des Fürsten erschienenen Buches. Am Freitag präsentierte sie es im Foyer des Dessauer Johannbaus.
„Vom Unglück der nichtehelichen Geburt“
Chronologisch hat sich von Schweinitz in ihrem Werk durch die Lebensgeschichte des Grafen gearbeitet. Jedoch stehen weniger die einzelnen Stationen der Beamtenlaufbahn des nach dem Dessauer Ortsteil benannten Mannes im Vordergrund. Die Unterzeile im Titel, sie kommt nicht von ohnehin. „Vom Unglück der nichtehelichen Geburt“ berichtet die Münchnerin auf den gut 400 Seiten. Dreh- und Angelpunkt ist die Rechtlosigkeit des nichtehelich Geborenen zur damaligen Zeit, die Waldersee bis zu seinem Tod anhaftete.
„Wie ein roter Faden zieht sie sich durch sein gesamtes Leben“, sagt die Autorin. „Dieses Schicksal nimmt einen ziemlich mit.“ Eigene Wurzeln, Abstammung oder Ansprüche – all das existierte für damals illegitime Kinder nicht. „Gnade war das Einzige, auf das sie hoffen durften.“
Ältester Sohn von Leopold III.
1763 als ältester Sohn von Leopold III. und der Predigertochter Johanne Hoffmeier geboren, wurde Waldersee trotz der vorehelichen Liaison standesgemäß am Dessauer Hof erzogen. Er entwickelte sich zu einem „äußerst geeigneten Beamten, der durchaus folgsam veranlagt war“. Dennoch zeigten sich bereits in jungen Jahren erste Brüche zwischen Vater und Sohn. „Haarrisse“ im fortbestehenden Machtgefälle nennt sie die Historikerin. „Es war eine harte Schule, durch die er gehen musste.“ Die Beziehung zu seinem Vater erreicht ihren Höhepunkt, als Waldersee Führungsaufgaben im teilweise sehr fortschrittlichen System der Dessauer Gesellschaft übernimmt. Kurz vor der Jahrhundertwende bezieht er sein eigenes Palais – die heutige Hauptbibliothek – in der Zerbster Straße.
Doch es kommt anders. Seiner Gutmütigkeit geschuldet, lässt sich Waldersee um 1800 in die dubiosen Schuldengeschäfte des bankrotten Theaterintendanten Carl Lichtenstein verwickeln. „Schulden, die ihn sein Leben lang nicht mehr losließen.“ Es führt zum Bruch im Verhältnis zum Fürsten und beschäftigt den Sohn in vielen Korrespondenzen. Das „individuelle Schicksal Waldersees“ findet weder mit dem Tod des Vaters noch mit seinem eigenen 1823 eine Lösung.
„Mit dem Buch wird dieses Schicksal erstmals in einer solchen Intensität beleuchtet“, meint Frank Kreißler. Die Quintessenz liegt für den Stadtarchivar auf der Hand. „Auch in der Dessauer Geschichte lässt sich immer wieder Neues entdecken.“
(mz)