Häuserverfall in Dessau Häuserverfall in Dessau : Geht es dem "Karnickel" an den Kragen?

Dessau - Wer Tornauer Straße hört, aber lange nicht dort war, ist positiv überrascht. Mehrere Häuserfassaden sorgen in der Straße in der Nähe der Dessauer Pauluskirche für etwas Freundlichkeit. Wenngleich da mehr, wesentlich mehr, drin wäre. Doch der Anfang ist gemacht.
Seit Jahren Leerstand
Christel Morr wohnt seit vielen Jahren in jener Straße, die sich im Umfeld des Leipziger Tors befindet. Ans MZ-Lesertelefon wendet sich die Dessauerin, weil sie der Meinung ist, das Potenzial der Tornauer Straße ist längst nicht ausgeschöpft. Sie bringt die Rede auf ein Gebäude, das im Volksmund „Karnickel“ genannt wird und unter der Adresse Tornauer Straße 28 bis 34 zu finden ist. Seit Jahren steht das Mehrfamilienhaus leer. Zündler waren mehrfach am Werk. Danach wurden Türen und Fenster gesichert und danach tat sich wiederum nichts. Nur die Ratten kennen das Gebäude allzugut und Müll verfängt sich in allen Jahreszeiten im Gestrüpp der Freifläche, die zum Grundstück gehört.
Wie geht es weiter, wollte Christel Morr wissen. Gibt es noch Hoffnung für das Haus? Und wenn nicht, wann endlich wird der Schandfleck beseitigt?
Gibt es noch Hoffnung für das Haus?
Die MZ stieß bei ihren Recherchen regelrecht Türen auf. Denn auch die Eigentümer des Gebäudes hätten es gern, wenn das Mehrfamilienhaus mit dem putzigen Volksmundnamen der Abrissbirne zum Opfer fiele. 2009 hatte die Heidelberger Firma „Heinzel-Männer“ - Hausmeister Dienst und Gebäude Service GmbH das Mehrfamilienhaus aus einer Insolvenzmasse erworben. Später noch wurde ein weiteres Nebengebäude aus einer Zwangsversteigerung hinzugekauft. „Beide Häuser“, erklärt Björn Seidel, Mitglied der Geschäftsführung, „sollten saniert werden.“ Doch der Feuerteufel war schneller.
Ein oder mehrere Feuerteufel, die nie ermittelt worden sind, haben das Mehrfamilien Tornauer Straße 28 bis 34 baulich ruiniert.
13. Mai 2012: An jenem Sonntagabend steht dort eine Wohnung im Erdgeschoss in Flammen, die alles zerstören. Auch eine Decke zum Obergeschoss brennt völlig durch. Schaden: 30 000 Euro.
20. Mai 2012: Wieder brennt das Gebäude in einer Sonntagnacht. In mehreren Wohnungen steht abgelagerter Sperrmüll in Flammen. Schaden: 20 000 Euro.
26. Mai 2012: Zwei Uhr nachts brennt es in die Tornauer Straße am „Karnickel“. Dort brennt ein Keller in voller Ausdehnung.
2. Juni 2012: Dachstuhl und Keller des leerstehenden Mehrfamilienhauses stehen in Flammen. Die Einsatzkräfte stellen fest, dass die Verkleidung eines Fensters aufgehebelt war und eine Holzleiter davor stand. Schaden: 30 000 Euro.
8. Dezember 2012: Das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Tornauer Straße 28 bis 34, das gerade saniert wird und ebenfalls im Besitz des Heidelberger Unternehmens ist, brennt. Schaden: 10000 Euro.
15. Februar 2014: In der Tornauer Straße 34 brennt der Dachstuhl. Auch zwei leerstehende Gebäude in der Mannheimer Straße von Dessau werden in dieser Nacht Raub der Flammen. (age)
Mehrfach musste in den Jahren zwischen 2012 und 2014 die Feuerwehr Brände im Dachgeschoss, in den Kellern oder in den Zwischenebenen des „Karnickel“ löschen. Die Flammen hatten immer Zeit, auf die Ziegelspanndecken und Stahlträger einzuwirken. Die laufenden Bau-Planungen wurden später verworfen, weil „die marode Statik eine Sanierung des Hauses nicht mehr zuließ“, erinnert sich Olaf Bernsdorf, Mitarbeiter der Heinzel-Männer-Außenstelle Dessau. „Die Summe der Brandschäden hat zum Totalschaden des Objekts geführt.“ Dabei war für die Planungen und den Umbau viel Geld in die Hand genommen worden - ohne wirtschaftliche Effekte. Nach den Brandstiftungen blieb nur noch die Alternative Abriss.
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Eine sechsstellige Summe kostet es laut Seidel, das Haus komplett zu schleifen. Die Eigentümer hatten deshalb 2014 bei der Stadtverwaltung Mittel aus dem Stadtumbau Ost beantragt. Leider, so Seidel und Bernsdorf, seien die erhofften Zuwendungen bislang nicht geflossen. 2015 wurde ein Antrag auf vorzeitigen Maßnahmebeginn gestellt, der genehmigt worden sei. „Jedoch wären die Arbeiten dann nicht gefördert worden“, schildert Bernsdorf. Im Dezember 2015 wurde erneut ein Fördermittelantrag gestellt. „Uns wurde in der Stadtverwaltung gesagt, Entscheidungen würden erst zum Jahresende 2016 getroffen.“
Es ist nicht so, dass die Heinzel-Männer ausschließlich aus staatliche Förderung warten. Gegenüber des maroden Mehrfamilienhauses, um das es hier geht, haben sie ihre Handschrift hinterlassen. Zwei sanierte Gebäude in der Tornauer Straße gehören dem Unternehmen. Die Wohnungen darin sind vermietet.
Konkrete Vorstellungen, was nach dem Abriss aus dem Grundstück Tornauer Straße 28 bis 34 wird, gibt es auch: „Wir wollen für die Mietshäuser, die uns gehören, einen Parkplatz bauen“, erklären Bernsdorf und Seidel. Dass die Heinzel-Männer auf dem Grundstück neu bauen, halten beide derzeit für ausgeschlossen. (mz)