Wie wird das Klima Ende des Jahrhunderts? Hamburger Forscher sagen für Anhalt Temperatur-Anstieg um 2,6 bis 5,2 Grad Celsius voraus

Dessau-Rosslau/MZ - Während der kommenden Jahrzehnte wird es in Dessau-Roßlau wahrscheinlich wärmer werden und mehr regnen, während die Windgeschwindigkeiten konstant bleiben oder sogar leicht abnehmen. Zu diesem Ergebnis kommt das Climate Service Center Germany (Gerics).
Die Forschungseinrichtung mit Sitz in Hamburg hat mögliche Klimaentwicklungen für alle Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland berechnet. Veröffentlicht wurden diese „Klimaausblicke“ auf der Website des Instituts.
Region Dessau-Roßlau wurde für den Klimaausblick um die Nachbarkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg erweitert
Weil Dessau-Roßlau für Klimamodellierungen zu klein ist und räumlich durchs Raster fallen würde, wurden in den Klimaausblick die Nachbarkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg einbezogen. Der Klimaausblick bietet keine präzisen Vorhersagen und kann dies auch nicht. Schon die Streubreite der Ergebnisse zeigt dies an. So könnte beispielsweise bei unverminderten Emissionen die Jahresdurchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um 2,6 bis 5,2 Grad steigen. Im letztgenannten Fall würden in Dessau-Roßlau Temperaturen erreicht wie heute in Griechenland üblich, mehr als 50 Tropennächte mit über 25 Grad eingeschlossen. Würde der Ausstoß von Treibhausgasen stark sinken, könnten die Temperaturen um 0,3 bis 2,3 Grad steigen.
Solche scheinbaren Ungenauigkeiten im Klimaausblick könnten zu der Annahme verleiten, die Ergebnisse seien ausgewürfelt. Richtig ist das Gegenteil. Gerade dass kein „Zielwert“ angegeben wurde belegt, dass die Forscher sich der Unwägbarkeiten von Klimaprognosen bewusst waren.
Wie sind diese nun erstellt worden? Als Basis der Berechnung dienten die gemittelten Messdaten aus den Jahren 1971 bis 2000. Dann legten die Forscher drei Szenarien fest: Ein unverminderter Ausstoß von Treibhausgasen, einen allmählichen und einen schnell sinkenden.
Auf jede der drei Kombinationen aus Daten und Szenario wurden nun Klimamodelle gelegt, die das physikalische Geschehen in der Atmosphäre widerspiegeln. Insgesamt 85 Modelle haben die Gerics-Forscher für die Zeiträume 2036 bis 2065 und 2069 bis 2098. Die Ergebnisse wiederum bewerteten sie mit statistischen Methoden: Ein Wert gilt ihnen als um so „robuster“, je häufiger ganz verschiedene Modelle ihn liefern. Das heißt, für den oben erwähnten Extremfall vereinfacht: Das Temperaturplus von maximal 5,2 Grad tritt ebenso wie das von 2,6 Grad mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit ein als ein Wert dazwischen.
Trotz der zahlreichen Ungewissheiten, dürfte eines nahezu sicher sein: Die Temperaturen in Dessau-Roßlau werden steigen - nur das Ausmaß ist unklar. Der Klimaausblick zeigt indes deutlich: Je mehr Treibhausgase global in die Luft geblasen werden, desto ungemütlicher könnte es in den Sommern künftig werden.
Auch die Durchschnittstemperaturen könnten so weit steigen, dass es statisch keine Tage unter Null Grad geben wird. Das könn-te schwerwiegendere Probleme nach sich ziehen, als dass Kinder nicht mehr Schlittenfahren können: Etliche Vorgänge in der Natur werden in hiesigen Breitengraden von Temperaturwechseln im Jahresverlauf gesteuert.
Mit den Hochwassern der vergangen Jahrzehnte sind Niederschläge stärker in den Blickpunkt gerückt. Hier sind die Prognosen zumeist unsicherer, am ehesten ist noch mit einer Zunahme zu rechnen und das vor allem im „Weiter so“-Szenario.
Stadtplanung muss nach Ansicht der Experten künftige Temperaturanstiege in die Planungen mit einbeziehen
Die Frage, wozu solche Berechnungen dienen, wenn sie kein klares Ergebnis hervorbringen (können), stellt sich durchaus. Eine Antwort liefern die Gerics-Forscher auf ihrer Website in einem Satz: „Die Anpassung an den Klimawandel vor Ort kann so auf eine bessere Grundlage gestellt werden.“ So wird die Stadtplanung nicht umhin kommen, sich damit zu beschäftigen, wie ein Temperaturanstieg gepuffert werden kann.
Zudem zeigt ein Spaziergang durch die umliegenden Wälder, welche verheerenden Wirkungen selbst vergleichsweise kleine Wetterschwankungen haben (um sich nicht an Diskussionen zu beteiligen, ob das schon Klimawandel sei oder nicht).
Schließlich: Dessau-Roßlau liegt nicht im Nirgendwo. Wie sich hier das Klima entwickelt, wird auch andernorts bestimmt - aber ein ganz klein wenig wird eben auch in Dessau-Roßlau entschieden, was vor Ort und im Rest der Welt mit dem Klima geschieht.