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OB-Wahl 2021 Finale in der Doppelstadt: In einer Woche entscheidet sich, wer Dessau-Roßlaus neues Stadtoberhaupt wird

Der Sieger muss vor allem die Probleme einer überalterten Kommune angehen.

Von Oliver Müller-Lorey 20.06.2021, 12:00
Der parteilose Wirtschaftsdezernent Robert Reck und der CDU-Stadtrat Eiko Adamek wollen Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister werden.
Der parteilose Wirtschaftsdezernent Robert Reck und der CDU-Stadtrat Eiko Adamek wollen Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister werden. (Foto: Thomas Ruttke)

Dessau-Roßlau - Die Ära der meisten reich verzierten Häuser in Dessau, der stolzen Hauptstadt Anhalts, endete am 7. März 1945. Ein britischer Luftangriff zerstörte weite Teile der Innenstadt - aber nicht alles. Am Ende der Zerbster Straße, Dessaus heutiger Fußgängerzone mit gemütlichen Restaurants, kleinen Lädchen und Cafés, blieb die Fassade des historischen „Palais Branconi“ stehen, das als Varieté, Theater und Tanzlokal genutzt wurde.

Seit der Wende steht das Gebäude, das die Dessauer den „Kristallpalast“ nennen, leer. Es wanderte durch die Hände mehrerer Investoren und soll nun zu einer Seniorenwohnanlage entwickelt werden. Damit symbolisiert es wie kaum ein anderer Ort in Dessau-Roßlau die drängendsten Probleme der Stadt: Überalterung, Leerstand und mangelnde Wirtschaftskraft.

Reck und Adamek sind zugleich die Kandidaten, die sich in ihrem Wahlprogramm am ähnlichsten sind

Es gibt einiges zu tun in Dessau-Roßlau, wo in einer guten Woche in einer Stichwahl der neue Oberbürgermeister gewählt wird. Von acht Kandidaten - allesamt Männer - setzten sich am 6. Juni der parteilose Wirtschaftsdezernent Robert Reck mit 28 Prozent und der CDU-Stadtrat Eiko Adamek mit 21 Prozent der Stimmen durch, so dass sie in die Stichwahl am 27. Juni einzogen. Der grüne (16 Prozent) und der AfD-Kandidat (elf Prozent) hatten überraschend deutlich das Nachsehen.

Reck und Adamek sind zugleich die Kandidaten, die sich in ihrem Wahlprogramm am ähnlichsten sind. Beide wollen die Wirtschaft ankurbeln, beide die Stadt attraktiver machen, beide die Innenstadt beleben. Reck schlägt dazu vor, die Verwaltung bürgerfreundlicher zu gestalten, Rad- und Fußwege auszubauen sowie die stadtprägenden Gebäude zu sanieren. Die Stadt könne auch noch sauberer sein, meint er. Kulturangebote für junge Erwachsene will er ausbauen.

Im Auftreten sind die Männer grundverschieden

Adamek hat im Wahlkampf gleich ein ganzes ABC von A wie Ansprechpartner bis Z wie Zukunft aufgestellt, das Lösungsvorschläge beinhaltet. Er will eine City-App für Verwaltungsvorgänge programmieren lassen, ein neues Mobilitätskonzept aufstellen, die Hochschule Anhalt am Standort Dessau zur Universität hochstufen und die Kulturangebote besser vermarkten.

Im Auftreten sind die Männer indes grundverschieden. Da ist der 48-jährige Adamek, geborener Rostocker, Abteilungsleiter im Städtischen Klinikum, seit 1994 in Dessau, der noch heute Freunde, Kollegen und Bürger mit einem knappen „Moin!“ grüßt. Sein norddeutscher Dialekt ist unverkennbar, sein Wahlkampf-Motto „#malmachen“ da nur folgerichtig. Vor einigen Jahren sei er in einer Stadtratssitzung ans Pult gegangen und habe gesagt: „Meine Damen und Herren, wir können jetzt alle noch lange über hätte, könnte und sollte reden, oder wir könnten auch einfach mal machen.“ Je mehr Zeit man mit Reden und Zerreden vergeude, desto später wisse man, ob es mit „einfach mal machen“ funktionieren würde.

Nach der Hauptwahl Anfang Juni verkündete der scheidende Oberbürgermeister Peter Kuras (FDP), dass Reck sein Favorit sei

Adamek selbst bezeichnet sich als „zielstrebig und empathisch“, aber auch „eckig und kantig“. Manch einer merkt an, er gefalle sich sehr gut in seiner Rolle als smarter Macher - vielleicht zu gut.

Ganz anders Robert Reck. Der 37-jährige Altmärker und studierte Wirtschaftsingenieur mit Doktortitel gilt als vorsichtiger und zurückhaltender. Keiner, der seine Erfolge an die große Glocke hängt oder sich mit politischen Gegnern fetzt. Ende vergangenen Jahres trat er aus der SPD aus, unter anderem, weil er eine fehlende Nähe der Partei zu den Menschen beklagte. „Ich bin ein optimistischer Mensch. Gegenseitiger Respekt, Professionalität und Wertschätzung sind mir wichtig“, wirbt Reck auf seiner Wahlkampf-Seite.

Ob Reck die Tatsache, dass er seit sieben Jahren Beigeordneter für Wirtschaft, Kultur und Sport ist, in Form eines Amtsbonusses hilft, ist umstritten. Nach der Hauptwahl Anfang Juni verkündete der scheidende Oberbürgermeister Peter Kuras (FDP), der nicht noch einmal antritt, dass Reck sein Favorit sei. Wähler, die mit Kuras’ Politik der vergangenen sieben Jahre unzufrieden waren, könnten das als ein „Weiter-so-Signal“ verstehen. Wähler, die Wert darauf legen, dass der neue Rathauschef Verwaltungserfahrung hat, können ihn dagegen Adamek vorziehen.

In der Stadt macht sich bei manch einem das Gefühl breit, Dessau-Roßlau werde nicht nur von den „echten“ beiden Großstädten Sachsen-Anhalts abgehängt

So oder so, der neue Oberbürgermeister steht nicht nur innerhalb der Stadt, die mit einem Durchschnittsalter von 50,63 Jahren die älteste im Bundesland ist, vor vielen Aufgaben. Sie ist neben Halle und Magdeburg eines von drei sogenannten Oberzentren, also Magnet für Kunden, Unternehmen und Kulturhungrige aus dem Umland - theoretisch.

In der Stadt macht sich bei manch einem das Gefühl breit, Dessau-Roßlau werde nicht nur von den „echten“ beiden Großstädten Sachsen-Anhalts abgehängt, sondern selbst von den direkten Nachbarn wie dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld. „Die Landkreise um uns herum sind lauter als wir“, sagt Adamek. „Als Hochschulstandort werden wir vom Land strukturell benachteiligt“, sagt Reck.

Der Ausgang der Wahl am 27. Juni ist offen. Während Reck in den vergangenen Tagen vor allem Fürsprecher aus der Stadtpolitik um sich geschart hat, setzt Adamek auf die Unterstützung des jüngst wiedergewählten Ministerpräsidenten Reiner Haseloff, der auf Plakaten für seinen Parteifreund wirbt. Das Finale in der Doppelstadt hat begonnen. (mz)