1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Erinnerung an Roßlauer Turnverein: Erinnerung an Roßlauer Turnverein: Gedenktafel-Streit um Pension am Stadtwald

Erinnerung an Roßlauer Turnverein Erinnerung an Roßlauer Turnverein: Gedenktafel-Streit um Pension am Stadtwald

Von Heidi Thiemann 06.01.2019, 13:00
Zahlreiches Material hat Jens Winterberg zum Turnverein Fichte zusammengetragen. Die wichtigsten Daten zum Verein stehen auf einer Erinnerungstafel.
Zahlreiches Material hat Jens Winterberg zum Turnverein Fichte zusammengetragen. Die wichtigsten Daten zum Verein stehen auf einer Erinnerungstafel. Thomas Ruttke

Roßlau - Wer kennt die Geschichte der Pension am Stadtwald in Roßlau? Dass die etwas mit Sport zu tun hat, das denkt Jens Winterberg, würden die wenigsten vermuten. Mit einer Gedenktafel will er das ändern.

Doch so einfach, wie sich das der Chronist des TV Jahn 1889 Roßlau vorgestellt hat, ist das offensichtlich nicht. Es gibt Zank und Streit mit der Pensionswirtin um das Anbringen der Tafel, die an den längst in Vergessenheit geratenen Arbeiter-Turnverein „Fichte“ erinnern soll. „Die Pension“, sagt Winterberg, „war nämlich das frühere Sportlerheim des Vereins.“

Der Arbeiter-Turnverein wurde am 31. Mai 1905 gegründet, sollte aber nicht mal 30 Jahre lang bestehen. Nicht, weil ihm die Mitglieder wegliefen, sondern in Deutschland ein dunkles Kapitel der Geschichte begann. Doch das ahnte am 31. August 1918 - also vor 100 Jahren - niemand.

Pensionswirtin schimpft über das Vorgehen von Winterberg und seinen Mitstreitern

An dem Tag wurde der Verein umbenannt und trug den Namen „Fichte“. Acht Jahre später starteten die Sportler ihr Projekt Vereinsheim. 1930, zum 25. Jubiläum des Vereins, konnte Eröffnung gefeiert werden. Das Heim war im Erdgeschoss Treffpunkt für die Mitglieder, im Obergeschoss wurden vier Wohnungen vermietet. Doch schon drei Jahre später wurde der Verein von den Nazis verboten, der Spiel- und Sportbetrieb damit eingestellt. Am 29. Juni 1934, hat Winterberg in Archiven recherchiert, wurde der TV „Fichte“ enteignet und aufgelöst.

Über all das hatte er bereits im Sommer einen Vortrag gehalten. Auch der Roßlauer Arbeitsgemeinschaft „Heimatgeschichte“ hat er die Geschichte vorgestellt - vor Ort beim Treffpunkt in der Pension „Am Stadtwald“. Und schon damals hatte er angekündigt, eine Gedenktafel am Eingang des früheren Fichte-Heimes anbringen zu wollen. „Ich möchte das Jubiläumsjahr gerne damit abschließen“, sagt er. Doch daraus wurde 2018 nichts mehr.

Pensionswirtin Christine Böhm-Dores erklärt auf Nachfrage, dass sie nichts gegen die Tafel habe. Doch sie schimpft über das Vorgehen von Winterberg und seinen Mitstreitern. Dass es erst Unstimmigkeiten um den Ort gegeben hat, bestätigt sie. Sie hätte es gerne gesehen, wenn die Tafel im Bereich der Straße an der Hecke angebracht worden wäre.

Bis 2020 soll die Geschichte in einer Broschüre veröffentlicht werden

Die Handballer hingegen favorisierten die Hauswand des früheren Vereinsheimes. Der Vorschlag, sagt Winterberg, soll dann auch von der Wirtin bestätigt worden sein. In die Wand sind nun auch schon vier Löcher gebohrt und die Dübel für die Tafel eingelassen. Einzig dazu sie anzuschrauben, ist Winterberg nicht mehr gekommen. Denn an dem Tag, als er zur Tat schritt und zur Bohrmaschine griff, lag die Pensionswirtin krank darnieder. „Man muss doch vorher Bescheid sagen“, fühlte sie sich übergangen und rief die Polizei.

„Nun ist die Tafel bei mir“, erklärt Winterberg enttäuscht, weil seitdem Funkstille herrscht. Enttäuscht ist er auch deshalb, weil es für die Tafel Sponsoren gegeben hat. Im Zuge seiner Recherchen hatte er auch ehemalige Fichtesportler ausfindig gemacht und ist über den Sohn von Otto Horn, der der letzte Fichte-Vorsitzende war, auf Urkunden, Fotos und weitere Materialien gestoßen. „Die hatte er vor den Nazis im Keller versteckt“, ist Winterberg begeistert über diesen Schatz. Bis 2020, sagt der Roßlauer Handball-Chronist, soll die Geschichte in einer Broschüre veröffentlicht werden.

Und die Tafel? „Von mir aus kann er sie anbringen“, lautet Böhms Antwort gegenüber der MZ: 2019 - nach Voranmeldung. (mz)

Die Roßlauer Pension am Stadtwald.
Die Roßlauer Pension am Stadtwald.
Thomas Ruttke