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Erichs Lampenladen im Hafen

Von Steffen Brachert 01.04.2008, 18:22

Roßlau/MZ. - Ganz am Ende des Roßlauer Hafens liegt ein schweres Stück DDR-Geschichte: Im April 1976 wurde in der Hauptstadt Berlin nach 32-monatiger Bauzeit der Palast der Republik eröffnet. Spötter hatten für den 180 Meter langen, 85 Meter breiten und 32 Meter hohen metallisch schimmernden Kasten bald einen Namen gefunden: Erichs Lampenladen.

Eine große Zukunft war dem sozialistischen Aushängeschild nicht beschieden. Bereits während des Baus hatten Experten gewarnt, die Stahlkonstruktion mit Spritzasbest gegen Feuer zu isolieren. Als nach der Wende absehbar war, dass europäische und bundesdeutsche Arbeitsschutz- und Gesundheitsnormen auch für die DDR Geltung haben würden, wurde der Palast am 19. September 1990 auf Anweisung der Volkskammer geschlossen. Eine Sanierung wurde nie in Betracht gezogen.

Lange Jahre wurde danach um den Abriss und dessen Finanzierung gestritten. Allein 35 Millionen Euro kostete es den Asbest aus dem Bau zu holen. Mindestens noch einmal so viel dürfte am Ende der komplette Abriss kosten, der seit Februar läuft. Es ist eine komplizierte Aufgabe, die alle Zeit- und Kostenpläne längst hat Makulatur werden lassen. Mitte 2007 sollten ursprünglich die geschätzten 78 000 Tonnen Baumaterialien verschwunden sein. Doch erst im Januar wurden neue Asbestfunde gemacht, lag die Baustelle einen Monat lang still. Anfang 2009 soll nun der Palast verschwunden sein.

Horst Lindau nimmt solchen Optimismus gelassen. Die Roßlauer Firma Schrott-Wetzel, im März 2003 auf dem Hafen-Gelände neu gegründet, hat den Zuschlag erhalten, den Stahlschrott aus dem Palast der Republik zu entsorgen. Gut 18 000 Tonnen sind das insgesamt. 3 200 Tonnen davon sind bislang in Roßlau entsorgt - und größtenteils auf dem Weg in den Hafen nach Rotterdam, von wo aus es überwiegend in die Türkei geht. Das ist Globalisierung.

Die Auftragsvergabe nach Roßlau verwundert nur auf den ersten Blick. "Wir haben die zweitgrößte Stahlschere Europas und die größte im Osten Deutschlands", erklärt Lindau. Sechs Millionen Euro hatte Schrott-Wetzel 2004 in Roßlau investiert und die "Leimbach 1650" angeschafft. Die entwickelt eine Kraft von 1 650 Tonnen und kann bis zu einem Meter große T-Träger schneiden. Ein entscheidender Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

"Die Markt ist umkämpft. Jede Tonne zählt", sagt Lindau. War Schrott einst oft wirklich nur Schrott, sind die metallenen Überbleibsel heute ein gefragter Rohstoff. Schrott-Wetzel, das seine Zentrale in Mannheim hat, versucht sich da zu behaupten. "Unser Vorteil ist die Schere und der Hafen", sagt Lindau. Der Hafen kann per Lkw, Zug und Schiff angefahren werden. Das sichert eine Flexibilität, die ganz am Ende auch Arbeitsplätze bringt. 19 hat Schrott-Wetzel, zwei sollen noch entstehen.

Wenn wie jetzt in Schichten gearbeitet wird, können 11 000 Tonnen im Monat umgeschlagen werden. Der Palast der Republik ist da schon eine Hausmarke. Im Sommer wird die nächste Schiffsfuhre an Stahlträgern in Roßlau erwartet. Die Besonderheit wird man ihr nicht ansehen. Etwas Besonderes ist es aber schon.