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Eisenbahnfotografen machen in Bahnwerk reiche Beute

Von THOMAS STEINBERG 13.09.2009, 17:35

DESSAU/MZ. - Sie hat sich rot gekleidet, in ein Rot, das sich knapp unterhalb der Grenze zur Geschmacklosigkeit hält, und sie wartet auf die Männer mit ihren Fotoapparaten, die sich noch ausgesperrt sehen müssen, draußen warten müssen, bis sich die Tore öffnen, sie losstürmen dürfen, manche noch im vollen Schritt die ersten Fotos machen, andere etwas geduldiger sind, warten, dass andere nicht die Sicht versperren. Stunden später nur werden die ersten Bilder von ihr im Internet kursieren und vermutlich begierig betrachtet werden an Rechnern in ganz Deutschland, wenn nicht der ganzen Welt.

Besondere Porträts

Wenn das Bahnwerk Dessau, in der Stadt immer noch geläufig als RAW, zum Tag der offenen Tür einlädt und dies auch noch des bevorstehenden 80. Geburtstages halber, dann ist dies für eine ganz spezielle Sorte Sammler eine Gelegenheit, in kurzer Zeit reiche Beute zu machen: Ziel eines Trainspotters ist es, möglichst viele Exemplare einer Baureihe zu fotografieren. So wie die gleich hinterm Eingang des RAW postierte rote 146 209-2, eine von insgesamt 110 Loks dieses Typs, die zwischen 2001 und 2003 in Dienst gestellt wurden.

Doch nicht jeder Eisenbahnfotograf lichtet jede Lok ab: Jens-Uwe Knöchel etwa hat sich auf Lokomotiven aus dem ehemaligen Bestand der Deutschen Reichsbahn beschränkt. Von denen er, wie er sagt, Porträts macht. Wie viele er schon gemacht habe? Das wisse er nicht. Am Sonnabend kann er unter anderem Bilder einer V 300 mitnehmen, einer starken Diesellok aus sowjetischer Produktion, Ludmilla genant und noch heute im Einsatz.

Während die Trainspotter längst im Einsatz waren, begann auf der Bühne das offizielle Programm mit Reden zum Jubiläum. Hans-Peter Michlitz, der heutige Chef, ließ die Geschichte des Bahnwerks Revue passieren: Von dessen Eröffnung am 3. Dezember 1929 bis heute, da es in Deutschland das einzige E-Lok-Werk ist. Dessau hatte sich innerhalb der DB durchgesetzt, alle anderen Standorte waren geschlossen worden. Man plane weiter Veränderungen, kündigte Michlitz an, wolle das Lager zum größten Teil aus dem Betrieb herauslösen.

Anbindung an Bundesstraße

Mit seinen nahezu 1 000 Beschäftigten ist das RAW heute der größte gewerbliche Arbeitgeber in der Stadt, und dürfte es wohl auch absehbare Zeit bleiben, trotz der Krise, die Michlitz zu erwähnen nicht vergaß und die sichtbar wird in auf Abstellgleisen im Bahnwerk geparkten Güterzug-Loks, die momentan nicht gebraucht werden, weil tausende Güterwaggons ungenutzt bleiben.

Doch beim Bahnwerk soll weiter investiert werden, wobei offensichtlich die bessere Anbindung des Werks an die Bundesstraße eine zentrale Rolle spielt, die - was einer gewissen Ironie nicht entbehrt - seit jeher ausgerechnet durch eine Bahnstrecke erschwert wird. André Schröder, Staatssekretär im Magdeburger Bauministerium, sicherte zu, man werde das Problem der Anbindung an die B 184 lösen, wobei er auf keine Details einging: Man habe, erklärte später Oberbürgermeister Klemens Koschig gegenüber der MZ, in dieser Frage Stillschweigen vereinbart.

Am Sonnabend zeigt sich, dass die Bahn immer noch in der Lage ist, tausende Menschen in Bann zu schlagen: Sie strömen ohne Unterlass, die Besucher, viele Ehemalige sind dabei ("Heinz, hat man dich wieder hereingelassen?"), ebenso heute dort Beschäftigte, die ihren Kindern endlich einmal zeigen können, was sie machen und wo sie arbeiten: nämlich in riesigen Hallen, in deren größter dutzende Loks stehen in den unterschiedlichsten Reparaturstadien, während nebenan die Fahrmotoren gewartet und repariert werden, eine Tätigkeit, die bis heute viel Handarbeit verlangt.

Als Lok-Führer auf Fahrt

Während in der große Werksstraße etliche E-Loks aus verschiedenen Jahrzehnten besichtigt werden können, wartet hinter den Hallen eine weitere Attraktion: Für ein paar Minuten konnten Besucher sich einmal als Lok-Führer fühlen: als Gäste für kurze Fahrten auf zwei E-Loks, einer alten E 44 und einer modernen 185er. Zwischen beiden Loks liegen Jahrzehnte - Jahrzehnte, die das Bahnwerk Dessau überbrückt hat.