Blick in die Heimatgeschichte „Du siehst aus wie Bowie“ - Auf Spurensuche nach einem Dessauer Original
Gab es den Mann in Dessau tatsächlich? Vor Jahrzehnten musste der Name für schlechtes Beispiel herhalten.

Dessau/MZ - Oh je, was waren denn das vor kurzem noch für Zeiten, als die Friseure aufgrund Corona schließen mussten und mancher deshalb zu Hause selbst zur Schere griff. „Du siehst aus wie Bowie“, kam da aufgrund des üppig sprießenden Haupthaares auch Anette und Bernd Rudolph wieder in den Sinn und über die Lippen. Den Spruch kennen sie nämlich noch aus ihrer Jugend und fragen sich nun, gab es Bowie, der in den 20er/30er Jahren gelebt haben soll, tatsächlich? War das - so wie Hobusch - ein Dessauer Original?
Puh, Bowie! Nein, nicht David, der Sänger, dessen Mähne mitunter auch üppig war. Ist aber Karl May (1842-1912) vielleicht eine Spur? Der Autor hat schließlich nicht nur Winnetou, sondern auch den Alten Dessauer in seinen Romanen lebendig werden lassen. Und gab es da nicht auch mal eine Geschichte mit einem Bowie? Kam der vielleicht sogar aus Dessau? Stadtarchivar Frank Kreißler muss passen. Im Stadtarchiv gibt es keinen Hinweis auf eine Gestalt namens „Bowie“. „Damit dürfte fast sicher sein, dass vermutlich auch im Museum für Stadtgeschichte kein einschlägiger Hinweis vorhanden sein wird“, winkt Carsten Sauer, der Pressesprecher der Stadt, ab.
„Bowie“ ist im Englischen übrigens eine Bezeichnung für „knife“, Messer
„Bowie“ ist im Englischen übrigens eine Bezeichnung für „knife“, Messer. Dort ist wohl auch der Grund für die Titelbezeichnung bei Karl May zu suchen, so Sauer. „Es gab mal einen üblen Messerstecher im Wilden Westen namens James Bowie.“ Und Band 84 der Gesammelten Werke von Karl May heißt denn auch „Der Bowie-Pater: und andere Erzählungen“. Dessau ist außen vor. Der Wilde Westen ist hier nicht.
Also doch kein Dessauer Original? Lutz Meixner und Jürgen Schönfeld von den Mundartfreunden sind sich aber sicher: Den Mann gab’s tatsächlich! Auch die Beiden, heute im Rentenalter, haben den Spruch „Du siehst ja aus wie Bowie“ schon gehört. „Aber der Mann hieß nicht Bowie, sondern Bower“, weiß Meixner. Vielleicht, vermutet er, hat sich der Name etwas sprachlich abgeschliffen. Bowie oder Bower, beides sei möglich. Er selbst kennt nur die Bower-Variante.
„Wenn die Jacke kaputt, die Haare zerzaust, die Hände dreckig waren, dann hieß es: Du siehst ja aus wie Bower“, kann sich auch Jürgen Schönfeld noch gut erinnern, dass ihm der Satz in der Kindheit und Jugend so manches Mal um die Ohren geflogen war. „Man hat den Mann immer als negatives Beispiel hingestellt.“
Im Dessauer Adressbuch von 1938 gab es den Eintrag zu einem Willi Bower in Dessau
Dass es einen Bower in Dessau gegeben haben muss, hat Schönfeld auch herausgefunden. Im Dessauer Adressbuch von 1938, sagt er, habe er den Eintrag zu einem Willi Bower gefunden, der in der Steinstraße 38 gelebt hatte. Von Beruf war er Arbeiter.
Ein älterer Bekannter von Schönfeld erinnert sich, dass Bower wohl noch in den 50er/60er Jahren am Niemannschen Platz gestanden habe, wo es einen Kiosk gab. Da soll er regelmäßig sein Bier getrunken haben.
Doch bekannt ist über den Mann, der oft als negatives Beispiel in Erziehungsfragen herhalten musste, wenig. In Berlin, so Lutz Meixner, soll er geboren sein, in Dessau wohl auch einen Sohn gehabt haben. Obwohl er bekannt war für sein eher vernachlässigtes Aussehen, soll Bower ein sehr intelligenter Mann gewesen sein. „Es wäre doch schön, wenn mehr bekannt werden würde über den Mann wie auch über andere Dessauer Originale“, findet Erhard Berner von den Mundart-Freunden. Denn beispielsweise sei auch zu Bewersch Änne (Anna Maria Bebber), die durch ihre Schlagfertigkeit bekannt wurde, die Faktenlage nicht sonderlich groß. „Vielleicht“, hofft Berner, gibt es ja noch den einen oder anderen, der helfen kann, die Stadtgeschichte zu erhellen.