Von Graz nach Dessau Die neue Bauhaus-Direktorin Barbara Steiner im MZ-Interview: „Ich fange ja jetzt schon an“

Graz/Dessau - Bis 2011 leitete Barbara Steiner die Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig, jetzt kehrt die Österreicherin nach Mitteldeutschland zurück: Von September an führt die 56-Jährige die Stiftung Bauhaus. Warum? Und wohin? Noch leitet die promovierte Kunsthistorikerin das Kunsthaus in Graz. Mit Barbara Steiner sprach unser Redakteur Christian Eger.
Frau Steiner, Sie sind die zweite Österreicherin auf einem Stiftungs-Chefposten in Sachsen-Anhalt. Ist das ein Trend?
Barbara Steiner: (lacht) Sie meinen wegen Frau Mang?
Genau.
Barbara Steiner: Das kann ich nicht beurteilen. Ich würde sagen, es ist Zufall. Das Interessante ist, dass ich in Österreich immer als Deutsche geführt wurde, obwohl ich in Österreich geboren bin.
Woran liegt das?
Barbara Steiner: Das hat vielleicht mit meinem Sprechen zu tun, das für Deutsche deutlich österreichisch ist, aber für Österreicher zu deutsch.
Weil Sie in Niederösterreich aufgewachsen sind?
Barbara Steiner: Es liegt eher an meinen Tätigkeiten. Ich hatte bis zu meinem Einsatz in Graz noch nie in Österreich gearbeitet, über Jahre, Jahrzehnte, immer in Deutschland oder anderen Ländern.
Was zieht Sie ans Bauhaus?
Barbara Steiner: Es ist ein Mythos. Es ist eine Marke. Es ist ein Weltkulturerbe. Und es ist unglaublich besetzt mit Erwartungen. Gleichzeitig gibt es enorme Spannungen zu einer Gegenwart, die nicht immer mit dem Mythos und der Marke zusammengehen will. Diese Spannungen interessieren mich.
Die Spannungen gab es von Anfang an. Also hätte Sie der Job immer schon reizen können?
Barbara Steiner: Ja, absolut. Wenn ich jetzt ehrlich bin, ist das auch eine Teenager-Liebe. Nicht nur das Bauhaus, sondern Avantgarde-Kunst insgesamt. Die Stiftung Bauhaus hat sich sehr interessant entwickelt in den letzten zehn, 15?Jahren. International ist sie top aufgestellt, was die Forschung und Lehre anbelangt. Sachlich und baulich ist alles bestens eingerichtet. Jetzt ist das Museum dazugekommen: das richtige Haus am städtebaulich richtigen Ort. Das alles hat mich motiviert.
Die Ausschreibung lief ja etwas turbulent. Waren Sie schon in der ersten Runde dabei?
Barbara Steiner: Ich habe das gar nicht mitgekriegt, ehrlich gesagt. (lacht) Ich wusste nichts von der Stellenausschreibung, dann wurde ich von jemandem aus dem Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung gefragt, ob das nicht etwas für mich wäre und ich mich bewerben möge. Dann habe ich es gemacht.
Sie sind die erste Kunstwissenschaftlerin auf dem Posten.
Barbara Steiner: Das ist mir auch aufgefallen. Das ist wirklich interessant. Ich habe nicht Architektur oder Städtebau studiert, aber ich habe doch deutliche Neigungen in all diese Richtungen. Aber ja, das ist vielleicht eine Chance.
Geht die Reise jetzt mehr zur Kunst?
Barbara Steiner: Nein, nicht zu mehr Kunst, das würde ich nicht sagen. Aber es ist schon wichtig zu fragen, was Kunst kann. Ich werde mich offensiv einbringen, es ist ein vertrautes Feld. Aber immer in Relation zu all den anderen Disziplinen. Die reine „Kunst-Kunst“, nennen wir es mal so, hat mich nie interessiert. Sie muss schon immer mit einer gesellschaftlichen Dimension verbunden sein.
Sie haben mehr als zehn Jahre die Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig geleitet. Wie verbunden waren Sie in all den Jahren mit der Stiftung und der Region?
Barbara Steiner: Es gab das Projekt „Schrumpfende Städte“, da war das Bauhaus mit Philipp Oswalt Partner. Wir waren in einem Team. Die Region Leipzig-Halle war unter anderem unser Untersuchungsgegenstand. Ich kenne das Bauhaus in verschiedenen Phasen: nach dem Mauerfall, nachdem es Welterbe geworden ist, nach der Sanierung.
Sie erwähnen Philipp Oswalt. Sie hatten 2013 einen Offenen Brief gegen die Entfernung von Oswalt vom Posten des Bauhausdirektors unterschrieben.
Barbara Steiner: Jetzt wollen Sie wissen, warum?
Warum?
Barbara Steiner: Ich denke, dass Philipp Oswalt auf jeden Fall geeignet gewesen wäre, das Bauhaus noch weitere fünf Jahre zu führen. Seine fachliche Expertise ist unbestritten. Er ist nicht umsonst Professor in Kassel. Wir hatten jedoch enorme inhaltliche Differenzen, wenn es um die Rolle der Kunst im Projekt ging, aber die Debatten waren letztlich wichtig und konstruktiv. Deshalb habe ich das damals unterschreiben müssen.
Jetzt sitzen Sie selbst auf dem Posten. Haben Sie keine Scheu vor der Zudringlichkeit der Politik?
Barbara Steiner: Nein, weil Politik eine Realität ist. Ich würde auch nicht von „Zudringlichkeit“ sprechen. Ich würde sagen, es gibt auf Seiten der Politik ein Begehren, etwas zu wollen, bestimmte Vorstellungen davon zu haben, welche Rolle das Bauhaus spielen soll. Das ist in Ordnung. Ich lasse mich gern auf diese Verständigung ein. Ich mag solche Prozesse, weil sie notwendig sind. Hier muss man aufeinander zugehen, aber auch klar machen, dass es immer auch andere Fragen des Begehrens, andere Blickwinkel gibt.
Was will die Politik von Ihnen?
Barbara Steiner: Ich weiß, warum man mich gewählt hat. Ich habe großes Interesse an den Spagaten zwischen Internationalität, globalen Entwicklungen und dem Regionalen, Lokalen. Das erscheint manchmal unvereinbar. Ich würde das jetzt gerne etwas vereinbarer machen. Das wird nicht immer glücken. Aber das Bauhaus muss auch für die Dessauer attraktiv sein. Die Reputation in Fachkreisen ist einem Dessauer wahrscheinlich nicht so wichtig. Vor Ort gibt es andere Realitäten, die müssen auch zum Thema werden.
Erfolg entscheidet sich vor Ort, jeder andere Beifall ist nur eine Zugabe.
Barbara Steiner: Absolut. Deshalb ziehe ich auch nach Dessau.
Gefordert ist die „strategische Weiterentwicklung“ der Stiftung. Was soll das sein?
Barbara Steiner: Das ist die Schnittstellenarbeit. Das Regionale stärken, ohne das Internationale sein zu lassen. Und das braucht Zeit. In der Politik will man ja sehr schnell Ergebnisse haben, doch wir reden hier von vielen Jahren. Ich hoffe, länger als fünf Jahre zu bleiben.
Bringen Sie Projekte mit?
Barbara Steiner: Dafür ist es zu früh. Ich gehe immer, an allen Orten, vom Gegebenen aus. Und zum Gegebenen gehören nicht nur die Stadt, sondern die Menschen vor Ort. Mit ihnen muss ich reden und daraus wird sich alles andere ergeben. Aber klar, Kooperationen wird es geben. Und ich habe ein Netzwerk in viele Bereiche hinein.
Welche Person des historischen Bauhauses ist Ihnen die liebste?
Barbara Steiner: Ich finde die Fotografin Lucia Moholy-Nagy interessant, die so viel zur Geschichte des Bauhauses beigetragen hatte und deren historische Leistung für das Publikationswesen so wenig anerkannt wurde.
Nicht wenige Stiftungsmitarbeiter leben in Leipzig. Sie müssen nach Dessau ziehen.
Barbara Steiner: Ich ziehe gerne dorthin. Mein Mann ist sächsischer Landesbeamter und der kommt mit. Er zieht mit um und will dem Ruderclub beitreten. Die Landschaft ist großartig. Dessau ist eine Stadt der DDR-Moderne, das muss man mögen. Mir gefällt das. Ich habe eher ein Problem mit pittoresker Kleinwinkeligkeit.
Sie fangen erst im September an. Warum?
Barbara Steiner: Weil ich mich dem Kunsthaus Graz verantwortlich fühle, das ich bis jetzt geleitet habe. Das will ich gut übergeben. Ich fange ja jetzt schon an am Bauhaus, aber hinter den Kulissen.
Wie finden Sie die Musik von Feine Sahne Fischfilet?
Barbara Steiner: Ich habe damit gerechnet, dass Sie mir diese Frage stellen. Es ist nicht meine Musik, aber sie ist gesellschaftlich relevant. (mz)