1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Die Arbeit beherrscht sie blind und sicher

Die Arbeit beherrscht sie blind und sicher

Von Heidi Thiemann 27.07.2007, 20:24

Dessau/MZ. - Marion Lange aber lächelt still und antwortet: "Das muss man blind beherrschen." Schnell und sicher huschen die Finger der medizinischen Schreibkraft am Städtischen Klinikum Dessau über die Tastatur. Das Diktat kommt von der Kassette. Nur sehen auf dem Monitor kann die 51-Jährige nicht, was sie schreibt. Sie fühlt es Zeile für Zeile gleichsam mit den Fingern. Auf einer besonderen Tastatur in Braille-Schrift. Und kann so auch Fehler korrigieren. Marion Lange ist blind.

Seit sie zwölf ist, sieht sie nichts mehr. In Königswusterhausen hat sie die Blindenschule besucht und in Chemnitz Facharbeiter für Schreibtechnik gelernt. "So viel Berufsauswahl für Blinde und Sehbehinderte gibt es nicht", sagt die Frau. "Doch ich schreibe gern. Mir macht das Spaß." In der Schiffswerft Roßlau hat sie bis Juni 1992 im Materialeinkauf gearbeitet. Dann war beruflich Schluss.

Zwei Mädchen hat sie mit ihrem Mann groß gezogen. "Doch wenn der Mann auf Arbeit war und die Kinder in der Schule, war es für mich schwer", erzählt sie. Und wusste: "Ich muss etwas machen für mich." Vermittelbar aber auf dem Arbeitsmarkt war sie nicht - die Computerkenntnisse fehlten. Drei Jahre hat es schließlich gedauert, bis der Rententräger ihre Anpassungsmaßnahme beim Berufsförderungswerk Halle bewilligte.

Sie macht einen Computereinsteiger- und einen Excel-Kurs, bevor es im Juli 2005 endlich losgeht mit der eigentlichen Maßnahme zur Fachkraft für Textverarbeitung. An die sie 2006 noch die Ausbildung zur medizinischen Schreibkraft dranhängt. "Leicht war das nicht", erzählt Monika Lange, "doch wenn es einem Spaß macht, kommt man voran." Ihre beiden Praktika kann sie im Städtischen Klinikum Dessau absolvieren. "Und dass ich jetzt hier gleich eine Arbeit gefunden habe, ist ein richtiger Glücksfall."

Ein Glücksfall aber auch für das Klinikum, wie Marion Scheller aus der Personalabteilung sagt. Sowohl in der Hautklinik als auch in der Inneren Klinik hatte die Praktikantin sehr gute Bewertungen bekommen. Chefarztsekretärin Silke Serfling habe sich sehr für die blinde Kollegin eingesetzt, auf dass sie eine berufliche Chance erhält. Um den Arbeitsplatz zu schaffen, musste jedoch nicht nur besondere Technik besorgt, sondern auch Arbeit in der Abteilung umorganisiert werden. Denn die Ablage erledigen, Blätter einheften, das kann die sehbehinderte Frau nicht, die sich deshalb über diese Hilfe und Unterstützung der Kollegen freut.

47 Stellen sind im Klinikum durch Schwerbehinderte besetzt, sagt Marion Scheller. Zur Soll-Zahl - fünf Prozent der Beschäftigten - sei das zu gering. Aber solche Mitarbeiter aufgrund der Arbeitsanforderungen, beispielsweise im pflegerischen Bereich, zu integrieren, sei sehr schwer.

Dass es aber nicht aussichtslos ist, zeigt Marion Lange. Sechs Stunden täglich erledigt sie nun Schreibarbeiten im Klinikum. Wie aber kommt sie zur Arbeit und zurück? "Von und nach Roßlau mit dem Bus und der Straßenbahn." Und auch die Orientierung auf den Klinikfluren fällt ihr immer leichter. Dabei hilft ihr ein Mobilitätstraining.