Bei minus 30 Grad, ohne Stolle und mit zwei Kragenbären Dessaus Tierparkchef sitzt in Sibirien fest - Wie Jan Bauer in der Ferne Weihnachten feiert
Die Festtage verbringt Dessaus Tierparkleiter Jan Bauer bei minus 30 Grad in Russland. Die „Bescherung“ erfolgt dann Ende Dezember, wenn die Bären da sind.

Tschita/Dessau/MZ - Wenn in Dessau-Roßlau an Heiligabend die Lichter am Tannenbaum angezündet werden, Familien in die Kirchen strömen und Kinderaugen unterm Weihnachtsbaum leuchten, liegt Jan Bauer vermutlich schon im Bett. Vier Stunden Zeitverschiebung herrschen zwischen Dessau und Jekaterinburg, wo der Tierparkleiter dieses Jahr das Weihnachtsfest verbringen wird. Ohne Glühwein, ohne Stolle, aber mit zwei pelzigen „Geschenken“ im Gepäck: den Ussurischen Kragenbären.
Jekaterinburg ist bereits eine Station auf seiner Heimreise, die er am 23. Dezember angetreten hat. Rund zwei Wochen war Bauer im sibirischen Tschita und bereitete den Tausch der Dessauer Dahomeyrinder gegen russische Bären vor. Die glückliche Nachricht, dass alle Papiere jetzt zusammen sind, kam in der vergangenen Samstagnacht, 0.19 Uhr Ortszeit. „Das war ein emotionaler Moment, wo man fast Tränen in den Augen hat“, sagt Bauer am Telefon. 9.000 Kilometer von zu Hause, von der Freundin entfernt, das auch noch an den Festtagen, das dürfte auch den als Frohnatur bekannten Tierparkchef mitnehmen.

Zumal Russland noch nicht so richtig in Weihnachtsstimmung sei, wie er schildert. Die Russen feiern ihr großes Fest erst ab dem 6. Januar. In Tschita, wo Bauer die vergangenen Wochen verbrachte, liefen allenfalls Vorbereitungen für das Weihnachtsfest. „Auf dem zentralen Leninplatz bauen die Russen eine Art Schloss aus Eis auf. Davor sind schon Hütten, ähnlich wie auf unseren Weihnachtsmärkten aufgestellt.“ Festliche Lichterketten seien allerdings schon überall angebracht. „Selbst die Busse sind geschmückt.“
Im russischen Supermarkt hat Jan Bauer vergeblich nach Stolle gesucht
Kulinarisch ist Weihnachten für ihn aber noch nicht zu spüren. „Im Supermarkt habe ich nach Stolle gesucht, die bekommt man ja sogar in Afrika. Nur hier nicht“, erzählt Bauer. Das heißt aber nicht, dass er hungern muss - ganz im Gegenteil. „Ich werde außergewöhnlich gut versorgt und wohne bei der Mutter eines örtlichen Tierparkmitarbeiters. Die russische Gastfreundschaft ist riesengroß“, sagt er.
Der Tagesablauf unterscheide sich von dem in Deutschland. „Vor 10 Uhr geht hier überhaupt nichts los, das liegt aber auch daran, dass es so lange dunkel ist.“ Dann gibt es erst einmal ein von der liebevoll „Babuschka“ genannten Gastgeberin angerichtetes Frühstück - oder besser, die erste Mahlzeit des Tages. Die sei nämlich meist schon warm und üppig. Und lecker!

Apropos warm. Mit den Temperaturen hat sich Bauer grob verschätzt - und gleich erkältet. „Ich hatte mich in dem Hochhaus, in dem ich wohne, schon oben dick für die minus 30 Grad angezogen und kam dann nassgeschwitzt ins Freie.“ Inzwischen ist er wieder genesen und hat dazugelernt. Er zieht sich Pullover, Handschuhe, dicke Jacken und Stiefel erst kurz vor der Haustür an - sehr zum Erstaunen der Einheimischen. „Denen falle ich natürlich sofort als Ausländer auf“, sagt Bauer.
An den passgenauen Transportkisten für die beiden Bären wurde zuletzt heftig gewerkelt
Für ihn ist es die wohl außergewöhnlichste Reise, die er für zwei neue Tiere im Tierpark jemals auf sich genommen hat. Dass „Dimitri“ und „Anastasia“ wohlbehalten in Dessau ankommen, daran hat Bauer keine Zweifel. Passgenaue Boxen haben er und das russische Team in den vergangenen Wochen vor Ort gebaut. Es musste wohl etwas improvisiert werden, so viel deutet Bauer an. Selbstgebaute Schrauben und ein Küchenbauer eines örtlichen Möbelhauses sollen eine Rolle gespielt haben. Egal! Hauptsache die Ussurischen Kragenbären gehen endlich auf die Reise.

Wann sie genau ankommen, ist noch unklar. Am 27. oder 28. Dezember könnten sie in Frankfurt landen. Doch vorher wünschen sie „dem Deutschen“ - aus russischer Sicht vielleicht etwas zu früh - „S roschdestwom“, so die Transkription der kyrillischen Schrift in vertraute lateinische Buchstaben. Das meint wörtlich „Zu Weihnachten“. Gute Wünsche richtet man sich in Russland zur Geburt Christi aus, also ist der russische Weihnachtsgruß nichts anderes als ein Geburtstagsgruß.