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Liebe auf den zweiten Blick Dessaus Fußballtalent Yannick Michaelis hat Vertrag bei Hannover 96 unterschrieben

Von Tobias Grosse Aktualisiert: 09.07.2021, 16:43
Yannick Michaelis nach seinem ersten Spiel für Hannover.
Yannick Michaelis nach seinem ersten Spiel für Hannover. (Foto: Michaelis)

Dessau/MZ - Dass aller Anfang manchmal wirklich schwer sein kann, musste Enrico Michaelis vor etwa zehn Jahren erfahren. Der frühere Dessauer Fußballer wollte seinen damals fünf Jahre alten Sohn Yannick nämlich in seine Fußstapfen lenken und brachte ihn zum Training des TuS Kochstedt. Jedoch mit wenig bis gar keinem Erfolg. „Als wir angekommen waren und ich Yannick zum Trainer und der Mannschaft geschickt habe, hat er sofort kehrt gemacht.“

Nachdem Enrico Michaelis diese Geschichte am vergangenen Samstagabend auf der heimischen Terrasse erzählt hat, brach etwas Gelächter aus. Bei Ehefrau Katrin, aber auch bei Sohn Yannick selbst. Dass eines der größten Talente, die Dessau in den letzten Jahren hervorgebracht hat, das Spiel anfangs gar nicht hat spielen wollen, wirkt in der Retrospektive doch arg komisch.

Yannick Michaelis ist erstmals von zu Hause weg

Es war Liebe auf dem zweiten Blick zwischen Yannick Michaelis und dem Fußball. Doch sie ist innig und erfolgreich. Am Wochenende wurde in seiner jungen Karriere, die beim zweiten Besuch in Kochstedt gestartet ist, das nächste große Kapitel aufgeschlagen. Zum 1. Juli ist der offensive Mittelfeldspieler, der Anfang August 15 Jahre alt wird, aus dem Nachwuchs des 1. FC Magdeburg zu Hannover 96 gewechselt. Und am Samstag stand mit der Regionalliga-U15 das erste Spiel gegen den SC Paderborn an. 96 siegte 3:0, Michaelis jr. verpasste mit einem Pfostentreffer knapp sein erstes Tor im ersten Spiel.

Hannover war nicht der einzige namhafte Verein, der sich für Yannick Michaelis interessiert hat. Auch Borussia Mönchengladbach und Dynamo Dresden wollten den Dessauer aus Magdeburg loseisen. 96, dessen Profis in der 2. Bundesliga spielen, war aber „sofort erste Wahl“. Aus zwei Gründen: „Gladbach wäre sechs Stunden weg, da wäre ich in drei Monaten nur einmal zu Hause“, sagt Yannick Michaelis. Hinzu kommt die Rundumbetreuung, die Hannover mit der Schule und dem Internat bietet. „Wir haben uns dort sofort gut aufgehoben gefühlt“, erklärt Katrin Michaelis.

Für die Familie beginnt nun ein neues Leben. Bisher hat Yannick Michaelis es abgelehnt, auf ein Internat zu gehen. Sowohl im Januar 2017, als er aus dem Talenteliga-Team des SV Dessau 05 in den Nachwuchs des Halleschen FC gewechselt ist, als auch vor einem Jahr, wo es nach Magdeburg weiterging. „Ich hab mich nicht getraut, ich wollte nicht von zu Hause weg“, sagt der 14-Jährige. Der Aufwand für die Familie war dementsprechend groß. Viermal wöchentlich stand Training an. „Ohne die Großeltern hätte wir das alles nichts geschafft“, sagt Katrin Michaelis dankbar. Die Opas und Omas sind mehrfach wöchentlich eingesprungen.

„Aber man entwickelt sich ja weiter“, erklärt Yannick Michaelis, warum er sich jetzt bereit dafür fühlt, sein Elternhaus zu verlassen und ins mehr als 200 Kilometer entfernte 96-Internat zu gehen. Katrin Michaelis’ Stimme klingt ein wenig gebrochen, wenn man sie darauf anspricht. „Das Familienleben ist dadurch irgendwie zerrissen“, so die zweifache Mutter (Tochter Vika ist zehn Jahre alt). Und sie weiß auch: „Wenn es für Yannick in Hannover gut läuft, kommt er nicht mehr zurück.“

RB-Angebot wurde von Michaelis abgelehnt

Nicht wenige trauen dem Mittelfeldtalent zu, es nach ganz oben zu schaffen. Der frühere Dessauer Stützpunkttrainer Frank Jaenicke zum Beispiel. Und auch sein letzter FCM-Trainer, Daniel Petzold. Wann Enrico Michaelis als Ex-Kicker gemerkt hat, dass sein Sohn besser ist als andere? „In der Talenteliga und beim Stützpunkt“, sagt er, „Yannick kam immer direkt da hin, wo es nach oben gehen soll.“ Als er zum HFC wechselte, spielte er gleich eine Altersklasse höher. „Da dachte ich mir, dass etwas dran sein muss“, sagt der Vater, der aber auch versucht, stets zurückhaltend mit dem Talent und den Erfolgen seines Sohnes umzugehen. „Ich bin Yannicks größter Kritiker“, sagt Enrico Michaelis grinsend. „Ich erzähle ihm nicht, dass er der Tollste ist, denn damit kommt er nicht weiter.“ Sowohl sportlich als auch menschlich. „Wir haben immer gesagt, er soll bescheiden bleiben“, ergänzt Mutter Katrin, „denn er muss sich jeden Tag neu beweisen.“

Die Erziehung hat Früchte getragen. Yannick Michaelis macht einen selbstbewussten, aber auch geerdeten Eindruck. Was auch dadurch belegt wird, dass er vor einigen Jahren von sich aus ein Angebot von RB Leipzig abgelehnt hat, um in Halle zu bleiben. „Dort waren viele Einzelspieler, wogegen in Halle mehr fürs Team gespielt wurde“, so der 14-Jährige.

Yannick Michaelis mit seinen Eltern Katrin und Enrico.
Yannick Michaelis mit seinen Eltern Katrin und Enrico.
(Foto: Michaelis)

Es ist Teil der Entwicklung, die der Nachwuchsfußball in den letzten Jahren genommen hat. In den großen Zentren und Teams, ist der Kampf um die Plätze ähnlich hart wie bei den Profis. Alle wollen sich zeigen, denn nur wenige Juniorenkicker schaffen am Ende den Sprung. Yannick Michaelis weiß das, und sagt deswegen auch Sachen wie: „Fußball wird jetzt in Hannover auch mehr Arbeit und nicht nur Hobby sein.“ In sechs Einheiten in der Woche will er sich das Rüstzeug draufpacken, dass es benötigt, um das große Ziel zu erreichen: „Ich will auf jeden Fall Profi werden.“

Yannick Michaelis hat einen Berater, seit dem er 13 Jahre ist

Teil des Geschäftes ist auch, dass Yannick Michaelis, seit er 13 Jahre ist, einen Berater hat. Seine Mutter erinnert sich noch: „Ich stand damals in der Küche, habe Kartoffeln geschält und eine Nachricht von unserem Berater bekommen. Erst haben wir uns gar nicht getraut zurückzurufen“, sagt Katrin Michaelis. Die Eltern haben sich zunächst auch allein mit ihm getroffen. „Als wir gemerkt haben, dass es passt, haben wir ihm Yannick vorgestellt.“ Im Blick zurück eine glückliche Fügung, denn: „Er hat uns viel abgenommen.“

Am Montagmittag ist Yannick Michaelis mit der Bahn wieder nach Hannover in Richtung Internat gefahren. Bis die Schule startet, wird er noch regelmäßig in die Heimat zurückkehren, danach seltener. Der steinige Weg, um Fußballprofi zu werden, bedingt es so. „Das war uns bisher nicht so bewusst“, sagt Enrico Michaelis. Vor allem nicht, wenn er an die Anfänge in der Sporthalle Kochstedt zurückdenkt.