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Dessauer Künstler gibt Kalender raus Dessauer Künstler gibt Kalender raus: Die deutsche Wiedervereinigung in Karikaturen

Von Ute König 30.12.2015, 14:11
Täglich eine Karikatur. Und wenn es ganz schnell gehen musste, wurden die Politikerköpfe auch mal kopiert.
Täglich eine Karikatur. Und wenn es ganz schnell gehen musste, wurden die Politikerköpfe auch mal kopiert. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Über 20 Jahre schlummerten Olaf Rammelts Karikaturen in einer grauen Pappschachtel. Ist der Deckel mal runter, beginnt eine Reise in die Zeit von Solidaritätszuschlag, Kluft zwischen Ost und West, angeblich sicheren Renten und vielem mehr. Zur deutsch-deutschen „Silberhochzeit“ hat der Dessauer Künstler nun die zwölf prägnantesten seiner Zeichnungen, die das politische Geschehen der Zeit zur und nach der Wiedervereinigung kommentierten, ausgewählt und als Kalender für 2016 veröffentlicht.

„Es ist eine schöne Gelegenheit noch einmal zurückzuschauen - ohne nostalgisch zu werden“, so Olaf Rammelt. Selbst ihm waren nicht mehr alle Themen präsent, die damals auf der politischen Tagesordnung standen. Dabei hatte er täglich mit ihnen gearbeitet - und das sehr intensiv. „Ein Karikaturist muss genau bescheid wissen, muss die Hintergründe kennen und dann noch ein Stück weiterdenken.“ Bereits vor der politischen Wende zeichnete Rammelt Karikaturen für die „Freiheit“ - allerdings noch nicht mit aller Freiheit, die sich ein Karikaturist wünscht. Ab November 1989 änderte sich das aber schnell. „Plötzlich war alles möglich“, erinnert er sich. Die Mauer fiel, die politischen Meldungen überschlugen sich. Von morgens bis abends saß Rammelt vor dem Fernseher, verfolgte die Nachrichten, um sie dann mit den Zeichnungen zu kommentieren - „nach der alten Schule“, wie er selbst sagt. Lustig sollten die Karikaturen sein. Sich über die Gebrechen von Politikern lustig zu machen, das sei aber tabu. „Ob dick oder dünn, das spielt keine Rolle“, betont er. Allein das, wofür die Person steht, dürfe karikiert werden.

Erschienen ist Olaf Rammelts Karikaturen-Kalender „Silberhochzeit“ in einer limitierten Auflage von 300 Stück in der hauseigenen „Feder Edition“. Erhältlich ist er für 15 Euro im Atelier Rammelt-Hadelich in der Franz-Mehring-Straße 14 sowie bei Thalia und in der Buchhandlung Hein.

Bestellungen sind auch per Mail möglich an: [email protected]. Mehr Infos online: www.atelier-rammelt-hadelich.de.

Von Dessau zur Washington Post

Fast täglich sind Rammelts Karikaturen in der Mitteldeutschen Zeitung erschienen. Aber auch andere Medien sind auf ihn aufmerksam geworden. So schafften es die „zeichnerischen Kommentare“ aus Dessau in viele Tageszeitungen in ganz Deutschland, in den Spiegel und sogar in die Washington Post.

Gearbeitet hat Rammelt damals noch vollkommen analog. Die ersten Skizzen und Entwürfe machte er mit Bleistift. Die endgültige Karikatur zeichnete er mit Tusche auf sogenanntem Schabkarton. Von einem Computer konnte der Künstler nur träumen. Selbst Telefon, Faxgerät, Videorekorder, ausländische Fernsehsender waren Raritäten und bedurften 1989 teils noch Ausnahmegenehmigungen. Das einzige technische Hilfsmittel war damals ein Kopierer. Häufig verwendete Politikerköpfe wurden auf ihm hin und wieder vervielfältigt und in die neue Karikatur hineingeklebt. „Das hat einfach Zeit gespart“, so Rammelt. Und von ihr hatte er meist wenig. Nach mehreren Entwürfen musste das fertige Werk um 22 Uhr der Hauptredaktion in Halle vorliegen. Es sei eine harte Zeit gewesen. „Unsere Tochter musste auf Zehenspitzen durch die Wohnung gehen. Das hält sie mir heute noch vor“, sagt Rammelt und lacht. So richtig verübeln konnte es ihm jedoch keiner, schließlich wurde ihm die Begeisterung und das Talent fürs Zeichnen von seinem Vater Heinz Rammelt schon in die Wiege gelegt.

1993 war trotzdem Schluss. Die Medienlandschaft und die Technik wandelten sich, die Nachfrage nach Karikaturen ging zurück. Daraufhin entschloss sich Rammelt, das „Kari“-Zeichnen an den Nagel zu hängen und sich auf Tierzeichnungen und die Malerei zu konzentrieren. Ganz stilllegen kann der Dessauer den Karikaturist in sich aber bis heute nicht. „Das ist immer noch drin“, sagt seine Frau Christine Rammelt-Hadelich. Es gebe da eine Zettelsammlung, zu der immer wieder eine neue Idee hinzukomme. Politische Karikaturen werden daraus aber nicht mehr. „Heute wandele ich es um“, so Olaf Rammelt. Etwas weiter und allgemeiner gefasst fließen die Ideen in seine aktuellen Bilder ein. (mz)

Für den Kalender wählte Olaf Rammel aus Hunderten Karikaturen zwölf aus.
Für den Kalender wählte Olaf Rammel aus Hunderten Karikaturen zwölf aus.
Lutz Sebastian Lizenz