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Dessauer Kalender Dessauer Kalender: Marlene und die Apotheken

Von Hans-Peter Berth 27.11.2002, 17:25

Dessau/MZ. - So waren für das jüngste, 47. Jahrgangs-Heft mit Sicherheit die letzten zehn Seiten anders konzipiert gewesen, als sie dann gefüllt wurden. Die Kalender-Redaktion tat gut daran, umzudisponieren und aktuell auf die Hochwasserkatastrophe einzugehen: Eine Seite Text und 20 Bernd-Helbig-Fotos spiegeln schlaglichtartig den Ablauf der Jahrhundertflut wider.

Weshalb aber wurde nicht eins der Fotos für die Titelseite verwendet? Das Bild von den Feuerwehrleuten aus Ludwigshafen, die im überschwemmten Waldersee ausgelaufenes Heizöl beseitigen. Ein Aktionsfoto voller Dramatik, das auch durch Bildaufbau und Farbe besticht. Das zudem vom Format her gestimmt hätte, um fortlaufend Titel- und Rücktitelseite zu füllen.

Statt Klarheit aber nun Verklärtheit, statt höchste Aktualität 200 Jahre und mehr zurück. Verwaschene, unscharfe Schrift dominiert die Umschlaggestaltung. Deren Inhalte sind erst beim Durchlesen des Eingangsbeitrages zu erschlüsseln. Die Zuordnung des halbierten historischen Tores an der Heftseite bedarf fast kriminalistischer Fähigkeiten. Alles Ansichtssache freilich, und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.

Der erste Beitrag, jener, auf den sich die Umschlaggestaltung bezieht, vermittelt die Lebensabrisse der drei Schwestern des Fürsten Franz, beleuchtet gesellschaftliche Verhältnisse in Anhalt-Dessau, der Grafschaft Lippe und anderswo, stellt Zusammenhänge her, was eine gründliche Recherche voraussetzte. Der Anhang vom Beitrag Brunhilde Höhlings verweist auf immerhin 80 Quellennachweise. Mehr noch: Der Aufsatz reflektiert nicht nur. Entstanden ist eine eigenständige Forschungsarbeit, eine sachliche Aufarbeitung eines Themas und kein Aufguss. Genau dies trifft auf andere Beiträge zu, gehört doch ein derartiges Herangehen zum Prinzip des Dessauer Kalenders, wogegen der Zerbster Kalender mehr auf Volkstümlichkeit setzt.

Der Beitrag von Ernst Steinkopf "Mein Sportsfreund Wolodja" fällt da aus dem Rahmen, denn hierbei handelt es sich um einen Zeitzeugenbericht. Ein hochbrisanter Bericht mit mehrfachen Bezügen zu Dessau und ein gut geschriebener. Als Steinkopf 1983 mit einer Touristengruppe in die Sowjetunion reiste, sollte er aus Krasnodar den Handball-Wanderpokal der Stadt Dessau mitbringen. Und er wollte an einige Stätten zurückkehren, die er 40 Jahre zuvor als Soldat der Hitlerwehrmacht betreten hatte. Doch es kam ganz anders. Steinkopf wurde beschattet und von einem ominösen "Sportsfreund Wolodja" kontaktiert. Steinkopf ist sich sicher, dass es sich bei diesem um Wladimir Wladimirowitsch Putin handelt, den jetzigen russischen Präsidenten. Aus Platzgründen nur nackte Aufzählung der anderen Aufsätze: Werner Grossert schreibt über David Fränckel, den Lehrer Moses Mendelssohns, Claudia Marcy über das Forsthaus Leiner Berg, Karl-Andreas Nitsche über den Biberschutz. Uwe Schnellinger zeichnet den Lebenslauf des Vaters von Kurt Weill weiter nach. Bernd Helbig geht auf die Anhaltische Automobil- und Motorenfabrik AG ein, Erich Hennings auf den hiesigen Elektromaschinenbau, Günter Ziegler auf "Marlene Dietrich und Dessau". Rosemarie und Rudolf Göbel vermitteln Apothekengeschichte. Dietrich Allert kommt auf ein Bildnis Berenhorsts zurück.

Dessauer Kalender 2003, 47. Jahrgang, Herausgeber Stadt Dessau - Stadtarchiv, 112 Seiten, 5,50 Euro