Dessauer Friedensbrücke Dessauer Friedensbrücke: Eine unendliche Geschichte

Dessau - Wer öfter an der Dessauer Friedensbrücke vorbeikommt, konnte es ahnen. Seit Dienstag ist es offiziell: Der Ersatzneubau wird zur unendlichen Geschichte und noch länger dauern als geplant. Sollte die neue Friedensbrücke bislang im September 2016 übergeben werden, ist nun das erste Halbjahr 2017 der neue Termin. Frühestens. Stadtverwaltung und Baufirma haben sich bislang noch nicht auf einen neuen Zeit-Maßnahme-Plan verständigen können. „Es gibt“, sagte Gerd Pfefferkorn, Chef des Dessau-Roßlauer Tiefbauamtes, „gewaltige Differenzen.“ Auch in finanzieller Hinsicht. Schon jetzt ist absehbar, dass der Streit um die Kosten vor Gericht landen wird. „Ich bin ziemlich erschrocken über die Entwicklung, die sich da anbahnt“, gab Oberbürgermeister Peter Kuras am Mittwoch zu.
Unberechenbare Baustelle
Zwei Dinge haben die Baustelle an der Stadteinfahrt Ost nach Ansicht der Stadtverwaltung unberechenbar gemacht: der komplizierte Baugrund und die immensen Schwierigkeiten beim Abbruch der alten Brückenteile. Im Untergrund hat es immer wieder neue Überraschungen gegeben. Erst geriet die Suche nach Kampfmitteln ziemlich aufwändig. Der Boden war nach dem Krieg mit Schutt aufgefüllt worden. Die Sonargeräte schlugen bei der Tiefensonderung fast ständig an. Dass die Trägerteile der alten Friedensbrücke viel größer und schwerer waren als in den Bestandsunterlagen verzeichnet, führte dazu, dass die Bergungstechnologie überarbeitet und ein größerer Kran angefordert werden musste. Das kostete Zeit und Geld.
Noch größere Probleme bereiten inzwischen aber andere Dinge: vorher nicht verzeichnete und nicht sichtbare alte historische Brückenüberbleibsel und Holzpfähle. „In den geplanten Brückenachsen“, umschreibt Pfefferkorn das technisch, „gab und gibt es unwahrscheinlich viele Rammhindernisse.“ Das erschwert die Gründung der neuen Brücke - und damit das Vorankommen der Bauarbeiten. An der Wasserstadt-Seite hat zum Beispiel der Abriss der alten Widerlager noch gar nicht begonnen. „Man muss“, räumte Pfefferkorn im Bauausschuss ein, „dort weitere Probleme befürchten.“
All diese Probleme haben natürlich auch finanzielle Konsequenzen. Für den Bauuntergrund trägt der Auftraggeber die Verantwortung und das Risiko. Also die Stadtverwaltung. Schon jetzt hat Dessau-Roßlau Nachträge in Höhe von 1,137 Millionen Euro akzeptiert. Die Miete für die Behelfsbrücke liegt bei 50 000 Euro pro Monat. Bei einem Plus von neun Monaten sind das weitere Mehrkosten von 450 000 Euro. Von drei Millionen Euro stille Reserve, die laut Tiefbauamtsleiter Pfefferkorn in den Gesamtkosten für den Ersatzneubau in Höhe von 18,15 Millionen Euro enthalten sind, ist damit schon jetzt über die Hälfte verbraucht. Weitere Nachträge sind von der Baufirma schon angemeldet - und in hohem Maße strittig „Es gibt unterschiedliche Ansichten, wie mit den objektiven Problemen umzugehen ist. Eine gerichtliche Klärung“, musste Pfefferkorn vor den Stadträten einräumen, „ist nicht auszuschließen.“
Juristischer Streit droht
Beide Seiten haben sich schon Anwälte genommen: Die Stadt hat ein Potsdamer Büro für Baurecht eingeschaltet und will zur Beweissicherung präsenter auf der Baustelle sein. „Wir überlegen auch, ob wir Sachverstand aus der Landesstraßenbaubehörde dazuziehen“, sagte Oberbürgermeister Kuras mit Blick auf seinen letzten Arbeitgeber vor dem Amtsantritt im Dessau-Roßlauer Rathaus. Auch die Bietergemeinschaft aus der Bickhardt Bau AG und dem Stahl- und Brückenbau Niesky hat sich nach Angaben von Pfefferkorn juristisch in Position gebracht.
Wie die ganze Sache ausgeht? Es ist ungewiss. Wie auch der Termin, wann die Friedensbrücke genau fertig ist. Denn: Ein möglicher strenger Winter ist im neuen Zeitplan noch gar nicht einkalkuliert. (mz)