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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Vom Bauhaus- zum Schloss-Huhn

Von Heidi Thiemann 23.12.2011, 16:55

Dessau/Stuttgart/MZ. - Ob sie nun wohl Aristokraten geworden sind, die vier Bauhaus-Hühnerdamen? Zumindest haben Alma, Ise, Lucia und Nina nun eine vornehme Unterkunft - und sind zu internationalen Stars geworden! "Die Damen sind auf Schloss Solitude und kommen erst im März wieder in die Siedlung Törten", berichtet Ursula Achternkamp aus Stuttgart.

Im Sommer hatte Achternkamp in Dessau eine kuriose Idee zum Laufen gebracht. In der Siedlung in Dessau-Süd, die Walter Gropius von 1926 bis 1928 anlegte, schickte die Bauhaus-Mitarbeiterin vier Hühner auf Nutztier-Tournee und griff damit eine Idee von Gropius auf, der die Häuser mit Garten und Ställen plante. Denn die Bewohner sollten sich selbst versorgen können. Hühnergegacker allerdings gehört heutzutage nicht mehr zum Siedlungsalltag, bis, ja bis die vier Hühner ab Juli in ihrem mobilen Gehege erst im Kleinring für Begeisterung sorgten, dann in der Doppelreihe... und schließlich auch nach Ziebigk und Kleinkühnau "auswanderten". Überall wurden die Vier mit viel Spannung erwartet: Alma, Luise, Lucia und Ise, wie sie ihr erster Herbergsvater Bernd Eichhorn in Anlehnung an vier Frauen berühmter Bauhäusler nannte. Aber sie wurden ob ihres Charakters auch Kampfhuhn, Model, Blacky und Moby Dick gerufen. "Jedem, der die Hühner nimmt, steht frei, ihnen Namen zu geben", schmunzelt Achternkamp und freut sich, dass nicht nur in Dessau die Idee auf Begeisterung stieß, sondern jetzt auch in Stuttgart. Auf Schloss Solitude hat Achternkamp ein halbjähriges Stipendium in der Sparte Architektur bekommen, das sich mit Vogelproblemen auseinandersetzt.

Reise-Stress kannten die vier Damen nicht, haben mit ihrem mobilen Stall unter einer Linde in dem Schlosskomplex einen lauschigen Platz gefunden und legten sofort mit dem Eierlegen los. "Ihnen geht es prächtig. Sie trotzen der Kälte entschieden, buddeln Löcher und nehmen Sandbäder", erzählt Ursula Achternkamp. Und hungern müssen sie nicht: Sie stauben jeden Tag frischen Salat und Küchenreste aus der Schlossküche ab...

Und dass es ihnen gut geht, darauf achtet auch die internationale Studentenschar an der Akademie Schloss Solitude. Besonders Ildikó Noémi Nagy - Bauhaus- und auch Hühnerfan - liegen die Vier am Herzen. Nagy, Teilnehmerin des Austauschprogramms der Akademie Schloss Solitude mit dem József Attila Kreis in Budapest für junge ungarische Schriftsteller, hat den Hühnern einen eigenen Blog im Internet gewidmet. Und nicht nur das: "Ildikó hat jeden Tag ein Ei ausgeblasen, es datiert und gesammelt, und bat auch die residierenden Künstler ein Ei zu gestalten, da ihr Aufenthalt jetzt hier zu Ende geht", verrät Achternkamp. Die Fotografien der ihr gewidmeten Objekte gehen dann auch auf den Blog, wenn die Designerin Sybille Neumann sie alle fotografiert hat.

Die Studenten sind jetzt nach Hause gefahren, auf Schloss Solitude herrscht Festtagsruhe. Und die vier Bauhaushühner? Sie verbringen Weihnachten und Silvester in Gesellschaft mit silberschwarz getupften Appenzeller Spitzhauben (mit Hahn) im Kleintierverein Gerlingen. Ab Januar dann werden sie "berufstätig" in der Stuttgarter Montessori-Schule, so Achternkamp. "Lehrer und Schüler wollen lernen, wie man einen Hühnerstall baut und wie man Hühner dann langfristig im Schulgarten hält", berichtet sie.

Und wenn es Frühjahr wird, kehren die Damen zurück in die Dessauer Bauhaussiedlung. Hier haben schon mehrere Familien - unter anderem aus dem Peterholzhang oder der Flanke - Interesse angemeldet. Und dann kommen sie wieder zu den Eltern der ersten "Hühner-Nutztier-Tournee-Generation". Achternkamp schmunzelt: "Mal sehen, was weiter passiert."

"Poultry in Your Eye" hat Ildikó Noémi Nagy (Nini) ihren Blog genannt. Auf ungarisch und englisch beschreibt sie ihre Erlebnisse: taraj.blog.hu