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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Vernachlässigt und abgehängt

Von Heidi Thiemann 04.05.2012, 16:43

Dessau/MZ. - Das Aufbäumen aber nützte am Ende nichts. Der Kristallpalast, dessen Fassade unter Denkmalschutz steht, weil das einstige Stadtpalais 1797 nach Plänen von Friedrich-Wilhelm von Erdmannsdorff entstand, ist noch immer eine Ruine, ein städtebaulicher Missstand mitten in der Dessauer Innenstadt.

Glaube an den Standort

Und überhaupt: Die verlängerte nördliche Zerbster Straße, in der das einst große Veranstaltungszentrum Tausende zum Feiern einlud, ist ein vernachlässigtes Stück Straße. Dass dies sich ändert, hat Jörg Lamprecht fast schon die Hoffnung aufgegeben. "Vor 20 Jahren", sagt der Inhaber von "Hausswald Optik", "habe ich das Geschäft übernommen." Investiert hat er und immer an den Standort geglaubt und gehofft, "dass hier etwas passiert". Und es sollte ja auch etwas passieren: Eine attraktive Flaniermeile vom Rathaus zum Bahnhof durch die Zerbster und Ferdinand-von-Schill-Straße war geplant. Früher. Als Dessau noch ans Wachsen dachte.

Als dann der Marktplatz gestaltet wurde und eine Fußgängerzone entstand, keimte am anderen Ende der Straße ebenfalls die Hoffnung auf eine Umgestaltung auf. "Uns war", erinnert sich Lambrecht, "sogar schon die Probebeleuchtung vorgeführt worden." Mehr aber passierte nicht. "Die Gelder wurden dann an der Bahnhofsbrücke verbaut", erinnert sich Lamprecht. Sieben Jahre ist das inzwischen her. Die Straße wirkt abgehängt.

Hoffnungen keimten erneut auf, als Kristallpalast-Investor Wilhelm Burger in Dessau aktiv wurde. "Das Projekt könnte den Teil der Zerbster Straße aufwerten", sagt der Optiker noch heute. Doch das Projekt ist Geschichte. Die Pläne sind gescheitert, weil es am Ende zu viele Vorbehalte gegen den Einzug des Medizinischen Versorgungszentrums in den neuen Kristallpalast gab. Der Anker-Mieter aber war Grundvoraussetzung für die Millionen-Investition.

"Die Situation im Klinikum hatte sich geändert", blickt Hans-Georg Otto, Stadtrat von Pro Dessau-Roßlau und stellvertretender Vorsitzender des Kristallpalast-Fördervereins, zurück. Ist das Projekt nun gestorben? Oder gibt es doch noch Hoffnung in Sachen Kristallpalast? Engagiert sich der Förderverein noch für das Projekt?

Unternehmer und Fördervereinsvorsitzender Gerd Sandow war für die MZ in dieser Frage nicht erreichbar. Der Investor, ließ er einzig über einen Mitarbeiter ausrichten, werde sich nicht vor Ende April, Anfang Mai positionieren. Die Positionierung ist bislang ausgeblieben.

Otto sagt, er habe mehrfach versucht, Burger zu erreichen, auf dass er auf dem Kristallpalast-Gelände vielleicht nur das Veranstaltungszentrum realisiert. Im Moment gebe es jedoch keinen Kontakt. "Ich bin ratlos", sagt Dessaus früherer Oberbürgermeister, "denn es liegt mir am Herzen, dass die Ruine verschwindet."

Bei Claudia Schwalenberg, Chefin des NH-Hotels, schlagen beim Thema Kristallpalast zwei Herzen in einer Brust. Dass der städtebauliche Missstand beseitigt wird, befürwortet sie ganz klar. Doch beim Veranstaltungskonzept, merkt sie kritisch an, "war nicht ersichtlich, wen man erreichen will. Denn der Kreis derjenigen, die sich erinnern können, wie schön es hier einmal war, der wird doch immer kleiner". Schwelgen in Nostalgie? Schwalenbergs Sache ist das nicht.

Doch zufrieden mit dem Umfeld in der unmittelbaren unteren Zerbster und in der Poststraße ist die Direktorin nicht. In den vergangenen Jahren haben mehrere Geschäfte zugemacht, das Angebot wurde immer kleiner. "Und die, die noch da sind, haben es sehr schwer." Bestehen könne man wohl nur, wenn das Angebot sich von dem des Rathaus-Centers abhebe und mehr auf Nischenprodukte setze.

Das Angebot ist eine sehr wichtige, aber eben nur eine Seite. Wer will hier eigentlich entlangflanieren?, fragen sich Schwalenberg - und die Gäste des Hotels. Die hausinternen Aktionen seien sehr schön, steht in einer Bewertung auf dem Hotel-Gästeportal. "Die Stadt aber ist trostlos." Ein hartes Urteil.

Es bleibt viel zu tun

Attraktivität, weiß die Hotel-Chefin, hängt sehr von der Optik ab - saubere Fassaden und Fußwege gehören dazu. Doch im Bereich von der Kreuzung Poststraße bis zur katholischen Kirche, vor dem Kristallpalast, "stimmt das Grundsätzliche nicht". Es bleibe viel zu tun, um auch dieses Stück Straße attraktiver zu machen. Mit einem Kristallpalast. Erst recht aber auch ohne den.

Im dritten Teil der Serie geht es am Dienstag um den Schloßplatz.