Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Schlange erregt Aufmerksamkeit

Magdeburg/dpa. - Sanft gleitet der Zehner-Kandier über die Elbe. Ein paar Paddelschläge fehlen noch zum Ufer. Gegen 13 Uhr ist es, als die zehn Paddler ihr Ziel erreicht haben: den Domfelsen in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg.
7 Uhr am Morgen war das Boot am Dessauer Kornhaus gestartet. Stolze 65 Kilometer legten die Mitglieder der Junkers-Paddelgemeinschaft auf der Elbe zurück. Ungewöhnlich ist solch eine Strecke für die Kanuten nicht. Doch diesmal paddelte die Besatzung nicht nur aus sportlichem Ehrgeiz. Mit der Aktion wurde die Bürgerinitiative "Land braucht Stadt" unterstützt, die sich gegen den drohenden Kahlschlag bei kulturellen und sportlichen Einrichtungen in Dessau-Roßlau stark macht.
13 344 Unterschriften
13,5 Millionen Euro muss die Stadt ab 2013 zusätzlich zu ohnehin schon geplanten Kürzungen einsparen. Das bedeutet weniger Unterstützung für Sportvereine, Bibliotheken, Freibäder und das Anhaltische Theater. Einige Einrichtungen sind gar von der Schließung bedroht. Doch gegen die "Blut- und Tränenliste" hat sich im Februar Widerstand formiert - und Erstaunliches geschafft. 13 344 Unterschriften haben die Mitstreiter der Bürgerinitiative in den vergangenen Wochen gesammelt - und diese am Dienstag an Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Dieter Steinecke (CDU) übergeben.
Die Bürgerinitiative hatte sich auf drei Wegen aufgemacht. Mit dem Boot. Zu Fuß. Und mit dem Bus. "Irgendwie müssen wir ja auf uns aufmerksam machen", sagte der 42-jährige Dietmar Albany, der mit dem Kanadier nach Magdeburg gepaddelt war.
Aufmerksamkeit erregte die Bürgerinitiative aber vor allem auf ihrem Weg zum Magdeburger Landtag. Wie eine Boa und begleitet von Getrommel schlängelte sich der Trupp mit der riesigen Unterschriftenliste Richtung Domplatz. Vor dem Landtag hatte die Bürgerinitiative einen Stand errichtet mit Dingen, die die vielfältige Kultur von Dessau-Roßlau symbolisieren sollten: Fotos aus der Anhaltischen Gemäldegalerie, eine quietschgelbe Boje, Pokale der verschiedenen Sportvereine. Es war eine verbildlichte Warnung, was nach den geplanten Einsparungen alles in der Stadt fehlen würde.
"Ich fände es furchtbar, wenn die Kultur immer weiter abgebaut wird", sagte Susanne Hessel, die Schauspielerin am Dessauer Theater ist und zu den Mitgründern der Initiative gehört. Der 30-Jährigen ist es wichtig zu protestieren. "Ich habe das Gefühl, dass die Leute in der Stadt durch unsere Aktionen wacher geworden sind." Große Erwartungen an den Besuch beim Landtagspräsidenten stellte Hessel indes nicht. "Es geht vor allem darum, zu zeigen, dass wir da sind."
Präsenz zeigte die Initiative auch akustisch. Die Blechbläser der Anhaltischen Philharmonie unterstützten die etwa 80 Dessau-Roßlauer, die sich vor dem Landtag versammelt hatten. Der Präsident Dieter Steinecke bekam nicht nur die Unterschriftenlisten überreicht, sondern auch noch einen Katalog mit Dessau-Roßlauer Forderungen an das Land.
Verbunden war die Übergabe mit der Bitte, diese Forderungen in die politische Diskussion einzubringen. Dessau-Roßlau will gleich gestellt werden mit den beiden anderen Oberzentren Halle und Madeburg. Dessau-Roßlau hofft, dass das Land mehr Verantwortung übernimmt für die Weltkulturerbe-Stätten wie das Dessau-Wörlitzer Gartenreich.
"Vor allem aber wollen wir einen Dialog der Bürger mit der Landesregierung", sagte Uwe Weber, der Sprecher der Initiative "Land braucht Stadt". Weber räumte ausdrücklich ein, dass man in Dessau-Roßlau bereit sei zu sparen, die Bürger aber an den Entscheidungen mit beteiligt werden sollen.
Landtagspräsident Dieter Steinecke reagierte aufgeschlossen, aber wenig konkret auf die Forderungen aus Dessau-Roßlau. "Sie erwarten von mir sicherlich kein Patentrezept", sagte der CDU-Politiker den Vertretern der Bürgerinitiative, deren Engagement er ausdrücklich lobte. Steinecke versicherte, das Anliegen "in den politischen Raum hineinzugeben" und den Ältestenrat des Landtags über die Probleme zu informieren.
Sammlung geht weiter
"Wir haben heute keine Lösungen erwartet", sagte Uwe Weber im Anschluss an den Besuch. Die Initiative kündigte aber an, weitere Unterschriften zu sammeln und im August noch einmal an die Landesregierung heranzutreten. Notfalls dann auch etwas lauter als beim ersten Mal.