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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Letzte Ruhe nicht nur für die Anhalts

Von ANNETTE GENS 23.07.2010, 16:31

DESSAU/MZ. - Manche Bauwerke lassen ihn nicht los. 1986 war Chefarchitekt Wilhelm Schulze gefragt, als die völlig marode Kuppel des Mausoleums saniert werden sollte. Normalerweise musste Kupfer für eine Neueindeckung beschafft werden. Dieses Edelmetall, so erinnert sich Schulze, in den 80er Jahren in leitender Funktion im damaligen VEB Industrieprojektierung Dessau, war zu DDR-Zeiten wegen der Materialknappheit für die Sanierung von denkmalgeschützten Bauten in der Provinz aber nicht denkbar. Das Material, mit dem Mitte der 80er Jahre das Dach der einstigen Begräbnisstätte der anhaltischen Fürsten wieder repariert wurde, ist eloxiertes Aluminium aus dem damaligen VEB Leichtmetallbau Dessau. Überhaupt haben sämtlich Betriebe dieser Stadt dafür gesorgt, dass das Mausoleum ein neues Dach erhalten konnte.

Illusion auf Förderung hilft nicht

Das denkmalgeschützte Mausoleum im Georgengarten ist seit dem Krieg Dessaus letzter Kuppelbau. Er ist darüber hinaus heute wie 1986 ein großes Sorgenkind dieser Stadt und abermals ein Fall für Mausoleums-Fördervereinsmitglied Schulze. Der Sanierungsbedarf wird auf bis zu fünf Millionen Euro geschätzt.

Der Eigentümer, die Stadt Dessau, hat für erforderliche und immer dringender werdende Sanierungsarbeiten wohl keine müde Mark in der Tasche. "Auf Fördermittel brauchen wir nicht zu warten", ist Architekt Schulze, Mitglied des 2007 gegründeten Fördervereins für das Mausoleum, überzeugt. "Wir müssen uns selber helfen", sagt er und verweist auf das Jubiläum, das ins Haus steht.

In zwei Jahren soll sich die Region an seine 800 Jahre alte Geschichte erinnern. Anhalt war ein Zentrum der Aufklärung in Europa. Von dieser Region gingen viele Impulse zur Erneuerung des Staates und des Gemeinwesens aus. Es wäre ein positives Zeichen, würde Dessau bis zum Anhalt-Jubiläum einen Plan zur Rekonstruktion des Mausoleums auf den Weg bringen.

Seit mehr als zwei Jahren plant der 83-Jährige an einem Konzept, das im Dessauer Verein zur Förderung des Mausoleums inzwischen breite Akzeptanz gefunden hat. Das Gebäude soll Schulzes Vorschlag zufolge Urnenbestattungsstätte werden. Einerseits könnte Dessau wiedergutmachen, was in den 50er Jahren an Unrecht geschehen ist. In einer Nacht- und Nebel-Aktion waren damals sämtliche im Mausoleum bestatteten Mitglieder des Hauses Anhalt auf dem Ziebigker Friedhof verscharrt worden. Darüber hinaus aber bietet "die Krypta des Mausoleums Platz für über 3 400 Gruften für je zwei Urnen". Nachdem in einem Waldstück bei Oranienbaum viele Grabstellen nachgefragt werden und der Friedwald heute als Alternative zum Friedhof gesehen wird, ist Schulze überzeugt, dass "eine ganze Reihe Dessauer oder Sachsen-Anhalter im Dessauer Mausoleum einen Bestattungsplatz erwerben würden" - zumal damit eine permanente Grabpflege entfällt.

Den Berechnungen des Architekten zufolge, könnte mit dem Einnahmen aus dem Verkauf der Gruften das Gebäude schrittweise saniert und darüber hinaus dessen Bestand gesichert sowie eine weitere Idee des Vereins umgesetzt werden. Der Förderverein verfolgt den Plan, im Erdgeschoss des Mausoleums eine Gedenkhalle für bedeutende Persönlichkeiten aus Dessau und dem Land Sachsen-Anhalt herzurichten und die dortige Auferstehungskapelle wieder umfassend zu sanieren.

Reaktion aus dem Hause Anhalt

Schulzes Idee findet inzwischen etliche Anhänger. Eduard von Anhalt ist überzeugt, dass dieser Vorschlag absolut Hand und Fuß hat. "Grundsätzlich erkläre ich mich mit Ihrem Lösungsvorschlag einer zukünftigen Beisetzungsstätte der Krypta für Familienangehörige meines Hauses und Bürgern aus Dessau und allen Regionen Europas einverstanden", schrieb er dem Architekten nach einem ersten Kennenlernen vor wenigen Tagen. Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Klemens Koschig ist passionierter Heimatkundler und sucht mit dem Förderverein nach einer Lösung. Dessaus Ex-Oberbürgermeister und Stadtrat Hans-Georg Otto habe im Förderverein zugesagt, das Konzept in den Stadtrat hineinzutragen.

Wilhelm Schulze betreibt in Dessau-Haideburg ein Architektur- und Ingenieurbüro und kennt die markanten Bauten der Stadt vor allem aus der Zeit, in der Material knapp war und dessenthalben Ideen und pfiffige technologische Lösungen gefragt waren. Der aus der Altmarkt stammende Architekt hat während seines mehr als 50-jährigen Berufslebens imposante Spuren hinterlassen. Von der Rekonstruktion des Bauhauses Dessau im Jahre 1976 über die Südschwimmhalle, das Geschäftshaus "Eisen-Maenicke" in Törten, die Sanierung des Schwesternhauses des St. Joseph-Krankenhauses bis zu Wohnhäusern in Haideburg und im Zentrum. Selbst die Puhdys-Musiker Klaus Scharfschwerdt und Dieter Hertrampf ließen ihre Wohnhäuser in Berlin von Schulze projektieren. Das ist umso bemerkenswerter, als er hauptberuflich vorwiegend an Industriebauten gearbeitet hat.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich verändert, weiß er. Damals gab es kein Material und dafür Geld, heute gibt es kein Geld, dafür aber Material. In all den Jahren habe ihm aber immer ein Zitat von Friedrich Schiller aus "Willhelm Tell" Mut gemacht: "Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten". Das Konzept zum Mausoleum will zwar überdacht sein, aber Dessau hat schon viele, zu viele Jahre verstreichen lassen.