Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Gedächtnisambulanz wird aufgebaut
DESSAU/MZ. - "Demenz", sagt Dr. Moritz Heepe, Ärztlicher Direktor des Dessauer St. Joseph-Krankenhauses, "ist eine Alterserkrankung." Da die Menschen heute älter werden als noch vor Jahrzehnten, gibt es auch mehr Menschen, die an Demenz erkranken. Ab 65 Jahre steigt das Krankheitsrisiko, über 90-Jährige sind zu einem Drittel betroffen. Dass Dessau an der Spitze mit den meisten Erkrankten stehe, hat aber nichts mit eventuell schlechteren Lebensbedingungen als anderswo in Deutschland zu tun. Sondern damit, dass junge Leute in Größenordnungen abgewandert sind, die Bevölkerung der Stadt kleiner, dafür aber immer älter wird. "Den Osten und seine ländlichen Gebiete", sagt Heepe, "trifft die Entwicklung besonders hart. Aber auch der Ruhrpott ist ähnlich betroffen."
Schon jetzt spürt Heepe, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Geriatrie, einen langsamen, aber spürbaren Anstieg an Demenz-Erkrankten, die im St. Joseph-Krankenhaus behandelt werden. "Richtig in Fahrt", so seine Prognose, "kommt die Entwicklung aber in fünf bis zehn Jahren."
"Demenz", erklärt der Chefarzt, "wird mehr als Schicksal erlebt und weniger als Krankheit. Aber man kann eine ganze Menge machen - mit und ohne Medikamente." Deshalb sei es wichtig, Symptome nicht zu verharmlosen. Wenn Menschen an Gedächtnisstörungen litten, also zunehmend vergesslich werden, oder wenn sie sich in ihrer Persönlichkeit verändern, "dann sollte ein versierter Arzt aufgesucht werden", rät Heepe. Nicht jede Gedächtnisstörung sei jedoch eine Alzheimererkrankung - dies müsse deshalb medizinisch abgeklärt werden.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Krankheitsfälle will das St. Joseph-Krankenhaus seine Früherkennung ausbauen. Geplant ist die Einrichtung einer Gedächtnisambulanz, die neben Diagnostik und Therapieempfehlungen auch eine soziale Beratung (z.B. zu Beihilfen, Anlaufstellen, Pflegeberatung) bieten soll.
Insgesamt, sagt Heepe, sei es wichtig, Angebote für Angehörige von Demenz-Erkrankten auszubauen. "Sie brauchen den Austausch." Denn rund drei Viertel aller Erkrankten werden von einer einzigen Person gepflegt. Das sei eine "harte Herausforderung", oftmals auch seien die Pflegenden damit überfordert. Darum ist die Hilfe für Angehörige dringend geboten. "In Dessau", stellt der Arzt fest, "gibt es keine größere Selbsthilfeorganisation", weshalb Heepe mit seinem Kollegen, Dr. Michael Meisel, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Geriatrie am Diakonissenkrankenhaus Dessau, überlegt, von den Kliniken einen Impuls für die Gründung einer Selbsthilfegruppe zu setzen.
Unbedingt, sagt Heepe, müssten zur optimalen Betreuung von Demenz-Patienten die Angebote in der Stadt und der Region mehr vernetzt werden. Handlungsbedarf bestehe auch bei der Einrichtung spezieller Heime. Zudem glaubt er, dass die Herausforderungen mit der Zunahme der Krankheitsfälle nur mit ehrenamtlicher Hilfe gemeistert werden können. "Es wird nicht möglich sein, die Erkrankten nur über Heime oder Krankenhäuser zu betreuen. Das kann nicht finanziert werden." Deshalb müsse ehrenamtliches Engagement gestärkt werden.